104 8 Konjunktionen Textbeispiel: Kommentar Tiergärten – das Problem der Zurschaustellung Zoos sind höchst fragwürdige Einrichtungen. Sie stehen in einer langen Tradition der Unterdrückung und Instrumentalisierung. Erweiterte Gehege und revidierte Selbstlegitimationen ändern daran nur wenig. Mitte vergangener Woche verkündete Stephan Hering-Hagenbeck, der Direktor des Tiergartens Schönbrunn, dass die Namen der Tiere seines Zoos von nun an nur mehr intern, jedoch nicht mehr öffentlich bekanntgegeben würden. Er wolle damit einer Vermenschlichung des Wildtiers entgegentreten und den Artenschutz in den Mittelpunkt seiner Bemühungen stellen. Offensichtlich waren sehr viele Menschen über diese Entscheidung entsetzt und verärgert. HeringHagenbeck ruderte zurück. Der Übergang vom individuellen Tier zum Artenschutz sei zwar weiterhin sein Ziel, man werde der Öffentlichkeit Tiernamen jedoch auch in Zukunft nicht vorenthalten. Kurz darauf erfuhr man, dass die Pflegekräfte des Zoos einer neugeborenen weiblichen Giraffe den Namen Nio gegeben hatten. Das rasche Umschwenken hinsichtlich der Namensgebung von Zootieren hat die Öffentlichkeit weitgehend beruhigt. Doch wie Muzayen Al-Youssef in ihrem Kommentar im STANDARD aufgezeigt hat, sind die grundsätzlichen Legitimationsprobleme von Zoos damit nicht gelöst. Darüber soll hier weiter nachgedacht werden. Historisch betrachtet stehen „Tiergärten“ in der Tradition einer Instrumentalisierung und Alterisierung von Mitmenschen und Mitgeschöpfen: Bestimmte andere Menschen werden aufgrund ihrer Hautfarbe und ethnischen Herkunft moralisch abgewertet und rechtlich diskriminiert (Rassismus). Empfindungsfähige nichtmenschliche Tiere werden aufgrund ihrer Artzugehörigkeit als reine Gebrauchsartikel zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse betrachtet (Speziesismus)1. „Fremde“ Lebewesen, sowohl Menschen als auch Tiere, haben dann keinen oder einen wesentlich geringeren moralischen Status als die Angehörigen der eigenen Gruppe. Sie dürfen als Objekte der Unterhaltung und des Voyeurismus gebraucht werden. Zutreffend definiert das österreichische Tierschutzgesetz Zoos deshalb kurz und bündig als „dauerhafte Einrichtungen, in denen Wildtiere zwecks Zurschaustellung … gehalten werden“. Massiver Protest Auch Menschen wurden zur Schau gestellt. Im Jahre 1906 wurde ein junger Afrikaner namens Ota Benga, der dem Batwa-Volk im damaligen Belgisch-Kongo angehörte, im Zoo der New Yorker Bronx zu einem 5 10 15 20 25 1 Speziesismus: von Spezies (= Art) MUSTER
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjg5NDY1NA==