56 Die Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur 2.3 M 2: Der Zeitzeuge Walter Philipson berichtet über den Boykott jüdischer Geschäfte ab dem 1. April 1933. https:// www.youtube.com/ watch? v=6UcD9Tqm80w Die Abschaffung der Demokratie und die Ausschaltung der gegnerischen Parteien ermöglichten es der NSDAP, 1933/34 eine Diktatur zu errichten. Mit der Ernennung von Adolf Hitler zum „Führer und Reichskanzler“ 1934 war dieser Prozess der „Machtergreifung“ abgeschlossen und die NS-Herrschaft etabliert. Ankurbelung der Wirtschaft Die nationalsozialistische „Machtergreifung“ war ein Prozess, welcher auf verschiedenen Ebenen, in vielen Schritten vorangetrieben wurde: innen- und außenpolitisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Die Bevölkerung sollte einerseits eingeschüchtert, andererseits von der NS-Ideologie überzeugt werden. So wurden, begleitet von der NS-Propaganda, zahlreiche öffentlichkeitswirksame Maßnahmen zur Senkung der Arbeitslosigkeit und zur Arbeitsbeschaffung gesetzt, die zu einem Wirtschaftsaufschwung führten. Dazu gehörte die gesetzlich festgelegte Beseitigung von Teilen der jüdischen Bevölkerung aus dem Wirtschafts- und Arbeitsleben, die sogenannte „Arisierung“ von Wirtschaftsbetrieben sowie die Umsetzung eines umfassenden Aufrüstungsprogramms. Auch sollten verheiratete Frauen durch das „Ehestandsdarlehen“ vom Arbeitsmarkt verdrängt und der NS-Ideologie folgend auf die Haushaltsarbeit beschränkt werden. Von der NS-Propaganda, die zentral von Joseph Goebbels gesteuert wurde, wurde in diesem Kontext insbesondere der Bau der Reichsautobahn hervorgehoben. Es ist ein Kennzeichen der NS-Politik, dass sie vielfach nichts Neues erfand, sondern bereits existierende Ideen aufgriff und realisierte. Auch der Autobahnbau war eigentlich schon von früheren Regierungen geplant gewesen, wurde nun aber medienwirksam begonnen. Gewalt im öffentlichen Raum Parallel zu den wirtschaftlichen Maßnahmen kam es zu öffentlichen Gewaltaktionen gegen die jüdische Bevölkerung, die vor allem durch SA-, SS-, HJ- oder NSDAP- Mitglieder durchgeführt und von staatlicher Seite geduldet wurden (z. B. Boykott jüdischer Geschäfte ab dem 1. April 1933). Noch im März 1933 waren außerdem die ersten Konzentrationslager (Oranienburg, Dachau) zur Inhaftierung von regimekritischen Personen eingerichtet worden. Dies geschah nicht im Geheimen, sondern es wurde öffentlich darüber berichtet. Gewalt innerhalb der Partei SA und SS waren wesentliche Stützen im Zuge der NS-„Machtergreifung“ und verbreiteten durch ihr brutales Vorgehen in der Öffentlichkeit Angst und Schrecken. Vielfach war dies jedoch nicht mehr von der Partei gelenkt, sondern entwickelte eine Eigendynamik, die der NS-Führung langsam entglitt. Das traf insbesondere auf die SA zu, deren Einfluss Hitler im Juli 1934 radikal eingrenzte: Führende NS-Persönlichkeiten, unter ihnen der SA- Führer Ernst Röhm, wurden ermordet, die SA entmachtet und stattdessen die SS unter Heinrich Himmler gestärkt und direkt Adolf Hitler unterstellt. „Führer und Reichskanzler“ Am 2. August 1934 starb Reichspräsident von Hindenburg. Sofort übernahm Hitler dessen Befugnisse. Die Reichswehr wurde auf ihn vereidigt, sodass er nun Oberbefehlshaber der Wehrmacht war. Hitler ließ sich außerdem zum „Führer und Reichskanzler“ ernennen. Somit war die Phase der NS-„Machtergreifung“ durch die Etablierung der NS-Diktatur in Form des „Führer-Staates“ abgeschlossen. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 M 1: Heinrich Himmler (1900–1945), einer der mächtigsten NS- Politiker, u. a. Reichsführer SS, Chef der deutschen Polizei, Reichsinnenminister; NS-Kriegsverbrecher. Foto, unbekannt, um 1940. Arisierung, die: Enteignung der jüdischen Bevölkerung und Überführung ihres Eigentums in nichtjüdisches („arisches“) Eigentum bzw. Besitz MUSTER
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