Denkmal 7/8 + E-Book

40 Geschichtskulturelle Produktion: die 1920er-Jahre 1.15 Die „Goldenen Zwanziger“ bezeichnen für Deutschland die Zeitspanne zwischen 1924 und 1929. Diese politische, wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit der Weimarer Republik reichte bis zum Beginn der Weltwirtschaftskrise. Nicht weniger als 11 von 36 vergebenen Nobelpreisen dieser Zeit gingen an Deutsche. Berlin galt damals in vielerlei Hinsicht als Mittelpunkt der Welt, als schicke Hauptstadt einer aufstrebenden Republik. Die Angebote in den zahlreichen Theatern, Kinos, Varietés sowie in den Nachtclubs der Großstadt und nicht zuletzt die Modedroge Kokain versprachen Vergnügungen, Zuversicht und Lebenslust. Im Schatten dieses extravaganten Lebensstils der Oberschicht schuftete die Arbeiterklasse in Europas größter Industriestadt an den riesigen Maschinen der unterirdischen Hallen. Die deutsche TV-Serie „Babylon Berlin“ spielt im Berlin des Jahres 1929. Ausgehend von einem Mordfall im Mafiamilieu taucht der Kommissar Gereon Rath in einen Dschungel aus Korruption, Drogen- und Waffenhandel ein. Die Serie gilt in vielen Kritiken als eine der besten deutschen TV-Serien der Gegenwart. M 1: Die amerikanische Sängerin Josephine Baker (1906–1975) bei einem Besuch in Berlin in einem Straußengespann. Baker machte den Tanzstil Charleston und die Jazz-Musik in Europa bekannt. Foto, unbekannt, 1926. M 2: Der „Zeit“-Redakteur Thomas E. Schmidt über das Berlin der 1920er-Jahre: Berlin, das großartige Berlin? Ja, es stimmt, die Hauptstadt ist in jenen Jahren ein Ort der Freiheit, die hippste Stadt Europas, Partyzone, das liberale Zentrum des Reiches. Ein „Großexperiment der klassischen Moderne“ nennt es der Historiker Hermann August Winkler. In Berlin blühen die Künste, die ernsthaften genauso wie die leichten. In Berlin entwickelt sich erstmals in Deutschland so etwas wie eine demokratische Massenkultur, Pop avant la lettre. Schwule, Lesben, Trans- und Metrosexuelle aus aller Welt reisen herbei. […] Brecht macht Theater, die Musik wird atonal – oder jazzig, in Babelsberg entstehen Filme, die später Klassiker werden. In Berlin kondensieren sich die Tendenzen der guten Jahre, die die Republik auch erlebt hat. Aber das ist nur die eine Seite. Was heute als das tolle Babylon verehrt wird, mit neuem Frauenbild, cooler Mode, mit Raves und Großstadtslang, mit Dada und Bauhaus, all das zieht auch Hass auf sich. Keine Stadt wird in jenen Jahren so beargwöhnt wie Berlin, von den Rechten, den Religiösen und den Provinzlern. Dort tobt sich aus, was Unbehagen bereitet und Ressentiments auslöst. Berlin ist die Provokation und die Überforderung, und so wird es auch zur Hauptstadt der Angst. Der Zerfall der gesellschaftlichen Ordnung, die Entkirchlichung, die Sexualisierung des Alltags, der freche Auftritt von Pornografie und Prostitution, der Marxismus oder die Psychoanalyse, dort wird es Ereignis. Schmidt, Thomas E. (2017): Weimarer Popkultur. https://www.zeit.de/kultur/film/2017-10/babylon-berlin-serie-weimarer-republik/seite-2 (25.08.2021). D MUSTER

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