38 Österreichische Perspektive: Austrofaschismus 1.14 M 1: Engelbert Dollfuß (1892–1934), österr. Politiker und Bundeskanzler 1932–1934. Porträtfoto, unbekannt, um 1933. M 2: Kurt Schuschnigg (1897–1977) österr. Politiker und Bundeskanzler 1934–1938. Foto, unbekannt, um 1934. Anfang der 1930er-Jahre setzten sich die antidemokratischen Kräfte innerhalb der Christlichsozialen Partei durch. Wenig später wurde die Demokratie in Österreich abgeschafft und das Land zu einer Diktatur umgebaut. Dies spaltete die Gesellschaft weiter, was die Abwehr von Hitlers Expansionsplänen unmöglich machte. Das Ende der Ersten Republik Am 4. März 1933 nutzte Bundeskanzler Engelbert Dollfuß eine Panne im Nationalrat, um die Demokratie und den Rechtsstaat außer Kraft zu setzen. Im Zuge einer Abstimmung traten alle drei Nationalratspräsidenten zurück, um selbst an der Abstimmung teilnehmen zu können. Da somit niemand die Sitzung leiten konnte, wurde diese vertagt. Drei Tage später erließ die Regierung ein Versammlungsverbot, und eine Pressezensur wurde eingeführt. Als die Abgeordneten schließlich am 15. März die parlamentarische Tätigkeit wieder aufnehmen wollten, wurden sie von Polizeikräften daran gehindert. Dollfuß hatte die Legislative entmachtet und regierte von nun an mit „Notverordnungen“. Österreich wurde zu einer Diktatur umgebaut. Die Februarkämpfe Während der „Republikanische Schutzbund“, die Kommunistische Partei und auch die österreichische NSDAP bereits im Frühjahr 1933 verboten worden waren, konnte die Sozialdemokratische Arbeiterpartei zunächst noch offiziell weiterbestehen. Allerdings wurden im Herbst 1933 immer mehr Schutzbündler im Anhaltelager Wöllersdorf interniert und im ganzen Land wurde nach Waffenlagern des Schutzbundes gesucht. Am 12. Februar 1934 widersetzte sich der örtliche Schutzbundkommandant Richard Bernaschek einer Durchsuchung des Linzer Parteiheims der Sozialdemokraten und ließ das Feuer auf die Polizei eröffnen. Damit begannen die sogenannten „Februarkämpfe“, ein verzweifelter Aufstandsversuch der Sozialdemokraten. In Linz, Graz, den obersteirischen Industriegebieten sowie den Wiener Außenbezirken kam es zu Kämpfen zwischen Schutzbündlern einerseits und der Polizei, dem Bundesheer sowie den „Heimwehren“ andererseits. Bereits am 13. Februar flüchtete die sozialdemokratische Parteileitung in die Tschechoslowakei. Nur einen Tag später endeten die Gefechte. Insgesamt waren über 400 Menschen getötet worden. In den Tagen nach dem Aufstand wurden insgesamt 16 Sozialdemokraten zum Tode verurteilt, neun tatsächlich hingerichtet. Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei und die sozialistischen Gewerkschaften wurden verboten. Viele Mitglieder emigrierten, andere kämpften im spanischen Bürgerkrieg (s. 1.5) gegen den Faschismus und einige schlossen sich der NSDAP oder auch der KPÖ an, die weiter im Untergrund agierten. Vom „Juli-Putsch“ zum „Anschluss“ Besonders die Nationalsozialisten versuchten durch zahlreiche Anschläge, das Dollfuß-Regime zu destabilisieren. Am 25. Juli 1934 scheiterte ein Putschversuch der NSDAP, bei dem aber Engelbert Dollfuß erschossen wurde. Sein Nachfolger Kurt Schuschnigg führte die autoritäre und antidemokratische Politik seines Vorgängers fort. Mit dem Juli-Abkommen 1936 wollte Schuschnigg eine friedliche Annäherung an Hitler-Deutschland erreichen. Dafür sagte er Hitler zu, die Nationalsozialisten bei der politischen Willensbildung einzubeziehen. Großdeutsche und nationalsozialistische Parteigänger erhielten so zunehmend politischen Einfluss. Von einer demokratischen Anti-Hitler-Koalition in Europa hatte Schuschnigg sich distanziert. 1938 musste der Bundeskanzler auf Weisung Hitlers Arthur Seyß-Inquart als nationalsozialistischen Innenminister akzeptieren. Den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich konnte er nicht mehr verhindern. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 MUSTER
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