286 Außereuropäische Perspektive: Syrien – ein Jahrzehnt Bürgerkrieg 6.10 M 1: Bashar al-Assad (*1965), ein ehemaliger Augenarzt, regiert Syrien von 2000–2024 diktatorisch. Er übernahm das Amt von seinem Vater. Foto von Fabio Rodrigues Pozzebom, 2015. Im Zuge des „Arabischen Frühlings“ wurde auch Syrien von Unruhen erfasst, die sich bald zu einem bewaffneten Konflikt entwickelten. Durch außenpolitische Interventionen wurde der Bürgerkrieg rasch zu einem komplexen Stellvertreterkrieg. Millionen Menschen fliehen seit 2014 vor der Gewalt. Der Konflikt in Syrien eskaliert Dass sich aus den anfangs friedlichen Demonstrationen in Damaskus, Homs und anderen syrischen Großstädten im Frühjahr 2011 ein bewaffneter Konflikt entwickeln würde, war nicht vorauszusehen. Die autoritäre Staatsführung um Diktator Bashar al-Assad reagierte mit unverhältnismäßiger Gewalt auf die Forderungen der Demonstrierenden und radikalisierte dadurch die Lage. Als das Regime den Ernst der Situation erkannte, war es zwar zu Zugeständnissen bereit, diese wurden aber aufgrund der harten Repressionen von der Opposition abgelehnt. Sie gründete den Syrischen Nationalrat und die Freie Syrische Armee. Der Bürgerkrieg beginnt Ein aufreibender Bürgerkrieg war die Folge, der auf diplomatischem Weg nicht beendet werden konnte. Auch die Zivilbevölkerung wurde immer wieder Ziel der Kampfhandlungen. Traurige Höhepunkte waren dabei die vom Assad-Regime verübten Giftgasangriffe vom August 2013 in Ghuta. Obwohl diese Kriegsverbrechen von vielen europäischen Staaten und den USA scharf kritisiert wurden, griffen sie nicht direkt militärisch aufseiten der Aufständischen ein. Anders als der Westen intervenierte hingegen Russland aktiv aufseiten des mit ihm verbündeten syrischen Regimes. Die Opposition zerfällt Die zunächst erfolgreiche Opposition begann bald, immer weiter zu zerfallen. Säkulare Kräfte verloren gegenüber islamistischen Rebellengruppen, die von den sunnitischen Staaten der Region unterstützt wurden, an Bedeutung. Der syrische Bürgerkrieg geriet zunehmend zu einem internationalen Stellvertreterkrieg. Dabei unterstützte beispielsweise SaudiArabien sunnitische Islamisten im Kampf gegen das Assad-Regime, während der Iran schiitische Milizen im Kampf für das Assad-Regime förderte. Auch die türkische Armee griff in den Konflikt ein, um die syrischen Kurden von der Errichtung eines autonomen Gebietes an ihrer Südgrenze abzuhalten. Der Islamische Staat 2014 wurde im Irak und in Syrien der Islamische Staat (IS) ausgerufen. Schon bald eroberte er große Teile dieser Staaten, wodurch sich die Situation stark veränderte. Die radikal-sunnitische Terrormiliz verübte zahlreiche Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darunter Massenhinrichtungen und Menschenhandel. Die Verbrechen brachten nun die Staatengemeinschaft dazu, militärisch gegen den IS vorzugehen und ihn zu zerschlagen. Als strategischer Nutznießer profitierte davon wiederum Assad, der sich mit russischer Militärunterstützung noch bis Dezember 2024 an der Macht halten konnte. Nach seinem Sturz steuert das Land nun einer ungewissen Zukunft entgegen. Die syrische Diaspora Auf der Flucht vor den Kampfhandlungen suchten über sechs Millionen Menschen Schutz im Ausland. Die meisten flohen in Nachbarstaaten wie etwa die Türkei (ca. 3 Millionen) oder den Libanon (1– 2 Millionen). Etwa eine Million Syrerinnen und Syrer suchten in Europa ein sicheres Leben. Die vielfältigen Reaktionen auf ihre Ankunft und deren politische Instrumentalisierung prägen die europäische Politik bis heute (s. 6.12). Stellvertreterkrieg, der: Regionale oder globale Großmächte unterstützen eine Gruppe in einem lokalen Konflikt. Auf diese Weise lassen sie diese stellvertretend für sich die Auseinandersetzung führen. Mehr dazu … In der Graphic Novel „Freedom Hospital“ erzählt der Syrer Hamid Sulaiman vom Bürgerkrieg in seinem Land. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 MUSTER
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