Denkmal 7/8 + E-Book

278 Außereuropäische Perspektive: der Nahostkonflikt heute 6.6 M 1: Ariel Sharon (1928–2014), israelischer Politiker und General. Ministerpräsident von 2001–2006. Hier bei seinem verhängnisvollen Besuch auf dem Tempelberg im September 2000. Foto von Awad Awad, 2000. M 2: Mahmud Abbas (* 1935), Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde und Vorsitzender der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Foto von Matthias Lüdecke, 2013. Nach der Ermordung Yitzhak Rabins und der Wahl Benjamin Netanjahus zum Ministerpräsidenten Israels (1996) stagnierte der Friedensprozess im Nahen Osten. Netanjahu war gegen einen unabhängigen Palästinenserstaat und die Rückkehr der Flüchtlinge. Gleichzeitig förderte er den Siedlungsbau in den besetzten Gebieten. Auch Jerusalem galt für ihn als unteilbar. Die Zweite Intifada Netanjahu wurde bei den Wahlen 1999 abgewählt, weil er keine Alternative zu den in Oslo geschlossenen Vereinbarungen anbieten konnte, sie aber rundweg ablehnte. Dennoch ließ Jassir Arafat die in Oslo ausgehandelten „Palästinensischen Autonomiegebiete“ ausrufen, die den Gazastreifen und Teile des Westjordanlandes umfassen. Netanjahus Nachfolger Ehud Barak zeigte sich erstmals gesprächsbereit, was den Status Jerusalems anging, war deshalb aber mit starkem innenpolitischen Gegenwind konfrontiert. Ariel Sharon, innenpolitischer Gegner Baraks, besuchte im September 2000 mit großem Gefolge den Tempelberg in Jerusalem, was von den Palästinensern als Provokation aufgefasst wurde. Die folgenden gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften breiteten sich auf das Westjordanland und den Gazastreifen aus. Diese Zweite Intifada forderte bis 2005 rund 3 000 palästinensische und über 1 000 israelische Todesopfer. Die „Roadmap“ und ihr Scheitern Während der Zweiten Intifada legte USPräsident George W. Bush 2002 einen Friedensplan vor, der von den USA, der UNO, Russland und der EU ausgearbeitet worden war. Er sah in drei Stufen einen unabhängigen Palästinenserstaat vor, forderte gleichzeitig aber eine Demokratisierung der Palästinensergebiete und eine Abkehr vom Terrorismus. Israel stimmte 2003 dem Friedensplan und somit einer Zweistaatenlösung zu, allerdings stoppte die radikalislamische Hamas ihre Gespräche mit der palästinensischen Autonomiebehörde, da sie sich nicht zu einem Gewaltverzicht bereit erklärte und auch das Existenzrecht Israels weiterhin ablehnte. Der Status quo Formal annektiert hat Israel nur einen Teil der Gebiete (Ost-Jerusalem), de facto übt es aber Kontrolle über das Gesamtgebiet aus. Die Siedlungspolitik ist ein großes Hindernis für eine Zweistaatenlösung: Zwar wurden die Siedlungen im Gazastreifen geräumt, gleichzeitig wurde aber die Siedlungstätigkeit im Westjordanland verstärkt. 2023 lebten dort 430 000 jüdische Siedlerinnen und Siedler und in OstJerusalem über 230 000. Ein weiteres großes Problem für den Friedensprozess ist die Hamas, die im Gazastreifen seit den letzten Wahlen 2006 (!) die Regierung stellt. Mit ihrem systematischen Terror untergräbt die Hamas sämtliche an sich legitime (Friedens-)Forderungen der palästinensischen Zivilbevölkerung. Im Oktober 2023 eskalierte der Nahostkonflikt erneut. Bei einem Überfall der Hamas auf Israel wurden 1 200 Zivilistinnen und Zivilisten auf grausame Weise ermordet und mehr als 240 Menschen entführt. Israel reagierte mit einem monatelangen Militäreinsatz im Gazastreifen. Dabei sind nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums bis April 2024 über 30 000 Palästinenserinnen und Palästinenser ums Leben gekommen. Als Staat ist Palästina bis heute völkerrechtlich nicht anerkannt. Israel sticht in der Gegenwart als einziger demokratischer Industriestaat westlicher Prägung in der Region hervor. Die Daseinsberechtigung des Staates als sicherer Zufluchtsort für Jüdinnen und Juden – nicht zuletzt als Folge des Holocaust – wird in diesem Zusammenhang oft vergessen. Auch wenn Israel heute erstmals in seiner Geschichte diplomatische Beziehungen mit umliegenden arabischen Staaten pflegt, lehnen einzelne Gruppen das Existenzrecht Israels weiterhin ab. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 M 3: Y-Kollektiv-Reportage über das Alltagsleben im Westjordanland aus dem Jahr 2018. https:// www.youtube.com/ watch?v=9iCst4KB2U4 MUSTER

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