24 Außereuropäische Perspektive: UdSSR 1917–1939 1.7 Bürgerkrieg und NEP Nach den Revolutionen von 1917 brach in Russland ein Bürgerkrieg aus, der mehrere Millionen Opfer forderte. Unter Lenins Führung gelang es den Bolschewiki, die oppositionellen Bürgerkriegsparteien zu besiegen und große Teile des imperialen Staatsgebiets in die 1922 ausgerufene Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) zu integrieren. Anfang der 1920er-Jahre war das Land durch eine darniederliegende Wirtschaft und Hungersnöte schwer gezeichnet. Verantwortlich waren dafür nicht nur die Folgen des Ersten Weltkriegs und des Bürgerkriegs, sondern auch eine staatlich verordnete Versorgungsdiktatur. Als Reaktion führte das sowjetische Regime die „Neue Ökonomische Politik“ (NEP) ein. Dabei wurde durch marktwirtschaftliche Zugeständnisse zur Stabilisierung des Landes von der bisherigen ideologischen Linie abgewichen. Industrialisierung und Zwangskollektivierung Nach Lenins Tod 1924 setzte sich im Kampf um die Nachfolge an Partei- und Staatsspitze Iosseb Dschughaschwili, genannt „Stalin“ (= der „Stählerne“), gegen Leo Trotzki durch. 1928 wurde der erste Fünfjahresplan eingeführt und damit die Industrialisierung des Landes sowie die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft rasant vorangetrieben. Die Rücksichtslosigkeit der Partei in ihren Plänen äußerte sich in einer Hungersnot 1932/33, der insbesondere in den ukrainischen und kasachischen Teilrepubliken mehrere Millionen Menschen zum Opfer fielen. Staatliche Verordnungen griffen auch in andere Teile der Gesellschaft ein, etwa in Kunst und Kultur, wo spätestens nach der Doktrin des „Sozialistischen Realismus“ (1932) eine parteinahe und ideologietreue Propagierung eines fortschrittsgläubigen Menschen im Zentrum der Darstellung zu stehen hatte. Gulag und Terror Die im Dezember 1917 gegründete sowjetische Geheimpolizei „Tscheka“ überzog das Land bereits während des Bürgerkriegs mit dem „Roten Terror“, einer brutalen Verfolgung der (vermeintlichen) Gegnerinnen und Gegner der Bolschewiki. Auch das Gulag-System geht auf die frühen 1920er-Jahre zurück, als auf den Solowezki-Inseln im Weißen Meer das erste Zwangsarbeitslager errichtet wurde. Verfolgung, Repression und Gewaltherrschaft stellten die Basis des Machterhalts für die Kommunistische Partei dar. Auf die Spitze getrieben wurden die staatlichen Repressionen unter Stalin zwischen 1936 und 1938, als während des „Großen Terrors“ zunächst die Parteieliten selbst und danach zunehmend die gesamte Bevölkerung in das Visier des Repressionsapparates gerieten. In Schauprozessen wurden Parteifunktionärinnen und Parteifunktionäre als angeblich Feinde von Volk und Partei verurteilt. Geständnisse wurden unter Folter erzwungen. Schätzungen zufolge dürften mehr als 1,5 Millionen Menschen verhaftet und beinahe die Hälfte davon hingerichtet worden sein. Die Verfolgungen gingen auch nach 1938 weiter. Während des Zweiten Weltkriegs waren ethnische Gruppen, insbesondere aus dem Nordkaukasus – so zum Beispiel die Tschetschenen – von Zwangsumsiedelungen nach Zentralasien betroffen. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 M 1: Leo Trotzki (1879–1940), russ. Revolutionär und Politiker, Foto, unbekannt, 1937. Auf die Revolutionen von 1917 folgte in Russland ein jahrelanger Bürgerkrieg, der mit dem Sieg der Bolschewiki und der Ausrufung der Sowjetunion (1922) endete. Die Kommunistische Partei setzte insbesondere unter Josef Stalin ihre Ziele mit brutaler Härte durch und etablierte ein System der Verfolgung, Inhaftierung und Ermordung von (vermeintlich) Oppositionellen. Bolschewiki, die: radikale, revolutionäre Mehrheitsgruppe der russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei unter der Führung Lenins. Stand der gemäßigten Minderheit der Menschewiki gegenüber und setzte sich gegen diese in der Oktoberrevolution 1917 durch. Zwangskollektivierung, die: Verstaatlichung und Zusammenlegung der landwirtschaftlichen Betriebe in Kolchosen. Die Bauern (materiell etwas besser gestellte Bauern nannte man Kulaken) wurden dazu enteignet. Dies stieß bei ihnen auf Widerstand, sodass Stalin brutal gegen sie vorging. Eine Folge der sogenannten Kulakenverfolgung war die Hungersnot von 1932/33. MUSTER
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