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270 Außereuropäische Perspektive: globaler Terrorismus I 6.2 Terrorismus gilt spätestens seit Ende des 20. Jahrhunderts als globale Bedrohung. Im Vergleich zu anderen Weltgegenden (Naher Osten, Afrika, Teile Südamerikas) gilt Europa als relativ sicher, auch wenn es dort seit 9/11 vermehrt zu Anschlägen in Metropolen (London, Madrid, Paris) gekommen ist. Im November 2020 wurde sogar Wien Ziel eines terroristischen Angriffs. Terrorismus – Definition und Ziele Das Wort „Terrorismus“ (lat. terror, dt. Furcht) bezieht sich in erster Linie auf die psychische Wirkung, die Terrorismus bei Opfern hinterlässt. In der Forschung geht es primär um die Kommunikationsstrategie, die den Terrorismus von anderen Formen politischer Gewalt unterscheidet: Gewaltakte geben den Terroristinnen und Terroristen ein Druckmittel für Verhandlungen. Auch wenn die meisten Länder gegenüber Terroristen eine „No-talks“-Politik betreiben, gab und gibt es Beispiele, in denen terroristische Gruppen nach Anschlägen mit Staaten verhandel(te)n, um politische Ziele durchzusetzen. So erreichte die PLO (Palestine Liberation Organization) durch Anschläge weltweit große Bekanntheit und wird seit Mitte der 1970er-Jahre als Vertretung der Palästinenser anerkannt. Andere Organisationen wie die IRA (Irish Republican Army) oder die baskische ETA scheiterten mit ihrem Vorhaben, politische Ziele mit Gewalt zu erreichen. Linksterrorismus Oft werden Terrororganisationen einem politischen Spektrum zugeordnet, weswegen in den Medien häufig von „Links-“ und „Rechtsterrorismus“ die Rede ist. In Deutschland entstanden linksextreme Gruppierungen aus den Studentenprotesten der 1960er-Jahre, die bekannteste Terrororganisation ist die RAF (Rote Armee Fraktion) (s. 4.4). Mit ihrer konsumkritischen Ideologie wollte die RAF das „imperialistische Herrschaftssystem“ der Bundesrepublik Deutschland stürzen und berief sich dabei unter anderem auf die Lehren Mao Zedongs, Lenins oder südamerikanischer Rebellengruppen, die gegen Militärdiktaturen kämpften. Auch in Italien (Rote Brigaden) und Frankreich (Action Directe) entstanden ähnliche Untergrundorganisationen und verübten Anschläge auf staatliche Gebäude und/ oder entführten Politikerinnen und Politiker. Rechtsterrorismus Rechtsterroristische Gruppen sind in den letzten Jahren in Europa besonders durch Anschläge gegen Flüchtlingsheime und Angriffe auf Migrantinnen und Migranten ins Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung gerückt. Sie sind meist völkischnational ausgerichtet und zeichnen sich durch Rassismus, Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit aus. Bekanntester Rechtsterrorist in Österreich ist Franz Fuchs, der in den 1990er-Jahren mittels selbstgebastelter Rohrbomben insgesamt vier Roma tötete und weitere Personen durch Briefbomben zum Teil schwer verletzte, darunter den damaligen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk. Er bezeichnete sich in Bekennerschreiben als Mitglied der „Bajuwarischen Befreiungsarmee“ (BBA), galt aber als Einzeltäter. Ein Beispiel deutschen rechtsextremen Terrors ist der NSU (Nationalsozialistischer Untergrund). Seine Mitglieder ermordeten in Deutschland bis 2007 insgesamt zehn Personen und verübten zahlreiche Sprengstoffanschläge sowie Banküberfälle. Die Gerichtsverhandlungen im sogenannten „NSU-Prozess“ (2013–2018) zählen zu den wichtigsten Prozessen der deutschen Nachkriegszeit. Neben der Terroristin Beate Zschäpe war ein breites Unterstützernetzwerk angeklagt. „No-talks“-Politik, die: Strategie, nach der es keine Gespräche mit terroristischen Gruppen geben darf M 1: Der Wiener Bürgermeister Helmut Zilk (1927–2008) bei einer Pressekonferenz im Krankenhaus nach einem BriefbombenAnschlag. Foto, unbekannt, 1993. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 MUSTER

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