Denkmal 7/8 + E-Book

22 Außereuropäische Perspektive: die „Roaring Twenties“ in den USA 1.6 M 1: Radiogerät der Marke „Atwater Kent Breadboard“. Ein Dreikreis-Geradeausempfänger aus den USA (1924) mit Röhren. 1920 ging in Pittsburgh die erste Radiostation „on air“, drei Jahre später gab es bereits 500 Radiosender. Bereits 1916 hatten die Vereinigten Staaten Großbritannien als stärkste Wirtschaftsmacht der Welt abgelöst. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, den ihr Engagement de facto entschieden hatte, dominierten die USA als alleinige Weltmacht die Friedensverhandlungen von Paris und die Neuordnung der Welt. Es sollte der Auftakt des „amerikanischen Jahrhunderts“ werden. Ein Jahrzehnt des Wandels Die 1920er-Jahre werden heute als jener Zeitabschnitt beschrieben, in dem sich die „modernen USA“ entwickelten. Erstmals lebten mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Zwischen 1920 und 1929 verdoppelte sich das Bruttoinlandsprodukt, nach heutigen Maßstäben herrschte Vollbeschäftigung. „Roaring“ meint das „Brummen“ des Wirtschaftsmotors in den 1920ern. Die deshalb steigenden Einkommen begünstigten die Entstehung einer Konsumgesellschaft. In den neu entstehenden großen Supermarktketten wurden neuartige Produkte wie z. B. der Kühlschrank, die Waschmaschine oder auch das Radio angeboten. Zum Symbol dieser konsumorientierten Massenkultur wurde aber das Auto. Das Modell „Ford T“ war durch die Massenfertigung allgegenwärtig auf den amerikanischen Straßen, 1929 kam bereits ein Auto auf fünf US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner. Ein „weibliches Jahrzehnt“? Als ein weiteres Symbol dieser neuen Zeit gilt die moderne, selbstbewusste Frau, die auf zeitgenössischen Abbildungen gerne mit Pagenkopf, Abendrobe und Zigarillo dargestellt wurde. Tatsächlich hatten Frauen in den USA 1920 das Wahlrecht erlangt, fanden leicht Arbeit in den stetig wachsenden Wirtschaftsbetrieben, und eine einsetzende Debatte über Geburtenkontrolle stellte ein selbstbestimmteres Leben in Aussicht. Dennoch war aber die Masse der Frauen immer noch von ihren Männern abhängig, war familiärer und sexueller Gewalt ausgesetzt und konnte nicht selbst über das eigene Leben bestimmen. Die Prohibition Während der moderne Lebensstil neue Freiheiten ermöglichte, wurden andere eingeschränkt: Aufgrund seiner schädlichen Wirkung wurde 1919 die Herstellung, 1920 auch der Verkauf von Alkohol in den USA verboten. Der Alkoholkonsum wurde dadurch aber keineswegs ausgelöscht, vielmehr verlagerten sich Handel und Konsum auf den Schwarzmarkt. Dieser wurde bald vom organisierten Verbrechen kontrolliert. Das totale Alkoholverbot wurde schließlich 1933, am Höhepunkt der Wirtschaftskrise (s. 1.11), wieder aufgehoben. Soziale Spannungen Das Prohibitionsgesetz wird als ein (gescheiterter) Versuch gesehen, die sozialen Spannungen zu kontrollieren, von denen die US-Gesellschaft gekennzeichnet war. Ein weiterer war der „Immigration Act“ von 1924, mit dem die Einwanderung radikal eingeschränkt beziehungsweise durch Kontingentierung auf bestimmte (europäische) Nationen beschränkt wurde. Von sozialen Zerwürfnissen war auch die afroamerikanische Binnenmigra- tion betroffen, die Millionen Menschen vom agrarischen Süden in den urbanen und industriellen Norden der USA führte („Great Migration“). Der rassistische Ku-Klux-Klan wuchs bis Mitte der 1920erJahre auf über vier Millionen Mitglieder und bekämpfte mit öffentlichem Terror die verstärkte Sichtbarkeit der afroamerikanischen Kultur, die u. a. im Jazz und der Literatur, bekannt unter dem Begriff „Harlem Renaissance“, ihren Ausdruck fand. 5 10 15 20 25 30 35 55 60 65 70 75 40 45 50 M 2: Das Modell „Ford T“ war lange Zeit der Marktführer auf dem entstehenden US-amerikanischen Automobilmarkt. 1927 existierten bereits 15 Millionen Fahrzeuge. M 3: Alphonse Gabriel „Al“ Capone (1899– 1947) war ein Gangsterboss, dessen mafiaähnliche Organisation das verbotene Glücksspiel, die Prostitution und den illegalen Alkoholhandel in Chicago kontrollierte. MUSTER

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