242 Das „Mehrebenensystem“ der EU Die Europäische Union wird häufig flapsig als „Brüssel“ bezeichnet. Diese Bezeichnung greift zu kurz, denn bis eine EU-Entscheidung getroffen wird, sind viele unterschiedliche Akteurinnen und Akteure daran beteiligt (s. 5.11): Die Europäische Kommission schlägt zunächst ein „EU-Gesetz“ (Verordnung oder Richtlinie) vor. Dem müssen in den meisten Fällen sowohl die gewählten Repräsentantinnen und Repräsentanten im Europaparlament als auch die einzelnen EUStaaten im Rat der Europäischen Union zustimmen. Auch Interessenvertretungen und die Zivilgesellschaft können sich daran beteiligen: mit (Online-)Beiträgen zu Rechtsvorschlägen oder durch Vorlage einer „Europäischen Bürgerinitiative“. Seit dem Vertrag von Lissabon gilt eine stärkere Beteiligung der nationalen Parlamente bei der Rechtsetzung der EU. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Interessen der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten gewahrt werden. Die Staats- und Regierungschefs nehmen somit auch eine wichtige Rolle in der EU ein. Die EU im Alltag Entscheidungen der EU wirken sich auf zahlreiche Lebensbereiche aus: Das gilt vor allem für den Euro als Zahlungsmittel, der außerdem eine der weltweit stärksten Währungen ist. Andere Beispiele sind die Freizügigkeit, das Reisen im SchengenRaum mit offenen Grenzen, die Gesundheitsversorgung im EU-Ausland oder EU-Bildungs- und Arbeitsprogramme für (junge) Europäerinnen und Europäer. Auch im Bereich des Konsumentenschutzes engagiert sich die EU. Mit dem sogenannten „Green Deal“ hat sich die EU neuerdings ein Programm auf ihre Fahne geheftet, um den lauter werdenden Forderungen für mehr Klima- und Umweltschutz zu entsprechen. Konfliktthemen Die „Osterweiterungen“ der EU in den Jahren 2004 und 2007 galten als historischer Meilenstein und sorgten vor allem in Österreichs Wirtschaft für einen zusätzlichen Aufschwung und eine Zunahme an Exporten. Angst vor dem Verlust nationaler Selbstbestimmung ist jedoch sowohl in Österreich als auch in anderen EUStaaten vorhanden. Die Wirtschaftskrise von 2008 und Debatten rund um die Aufnahme von vertriebenen und geflohenen Menschen haben gezeigt, dass die Interessen der EU-Staaten immer wieder auseinanderdriften. Die viel beschworene EU-Solidarität wurde auch bei der Bewältigung der Corona-Pandemie und ihren Auswirkungen erneut auf den Prüfstand gestellt. Zudem kämpft die EU außenpolitisch um eine einheitliche Stimme. Die Rolle der EU in der Welt Ein schwaches gemeinschaftliches Auftreten der EU könnte künftig jedoch drastische Folgen haben: Europa wird aufgrund der demografischen Entwicklung an Bedeutung in der Welt verlieren. 2050 wird der Anteil der EU-Europäerinnen und -Europäer von acht auf fünf Prozent sinken. Laut Prognosen wird sich 2050 kein einziges EU-Land mehr unter den sieben führenden Wirtschaftsnationen befinden. Auswirkungen auf die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der einzelnen EU-Staaten sind zu erwarten. Die EU vereint nicht nur – sie kann auch spalten: Die einen bezeichnen sie als „größtes Friedens- und Wohlstandsprojekt aller Zeiten“, die anderen als „bürgerfernen Verwaltungsirrsinn“. Jedenfalls zeigt die EU, was es heißt, wenn sich Staaten immer wieder zwischen Solidarität und Selbstbestimmung bewegen. Die Relevanz der Europäischen Union 5.12 Mehr dazu … In der Publikation „Die EU und ich“ finden Sie zahlreiche Informationen zur Europäischen Union. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 MUSTER
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