Denkmal 7/8 + E-Book

236 Der Krieg im Kosovo Als Reaktion auf die serbische Zentralisierungs- und Repressionspolitik im Kosovo entschied sich die kosovo-albanische Bevölkerung in den 1990er-Jahren zu einem friedlichen Widerstand und zu einer Verlagerung großer Teile des gesellschaftlichen Lebens ins Private, etwa im Gesundheits- und Bildungsbereich. Nicht zuletzt die Ignoranz des Abkommens von Dayton (1995) gegenüber der Kosovo-Frage führte bis 1998 aber zu einer Radikalisierung des Widerstands, da viele der Meinung waren, dass ein friedlicher Protest weder zu innerstaatlich-serbischer noch zu internationaler Unterstützung führen würde. Auf Guerillaangriffe der „Befreiungsarmee des Kosovo“ (UÇK) folgte eine serbische Offensive, die sich auch gegen die kosovo-albanische Zivilbevölkerung richtete. Luftangriffe der NATO zwangen die serbischen Einheiten zum Rückzug. Das Kosovo wurde zu einem UN-Protektorat innerhalb Rest-Jugoslawiens (Serbien, Montenegro, Kosovo). Interner Widerstand Das Eingreifen der USA bzw. der NATO beendete schließlich – nach langem Zögern der internationalen Gemeinschaft – die Kriege in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo. Darüber hinaus gab es aber auch innerhalb der Nachfolgestaaten Widerstandsbewegungen, die sich gegen den Krieg aussprachen, z. B. die feministischen Friedensaktivistinnen „Frauen in Schwarz“ (Žene u crnom) aus Belgrad. Auch die Absetzung des serbisch-nationalistischen Präsidenten Rest-Jugoslawiens Slobodan Milošević (2000) ist auf langanhaltende Massenproteste, etwa der Studentenbewegung „Widerstand“ (Otpor!), zurückzuführen. Unabhängige Republiken Der staatliche Zerfall fand in den 2000erJahren sein vorläufiges Ende, als sich Montenegro 2006 nach einem Referendum aus dem Staatenbund mit Serbien löste und sich der Kosovo 2008 für unabhängig erklärte. Die südlichste Republik des ehemaligen Jugoslawiens, Mazedonien, hatte sich bereits 1991 für unabhängig erklärt, konnte sich aber erst 2019 mit dem benachbarten Griechenland auf die Staatsbezeichnung „Republik Nordmazedonien“ einigen. Griechenland hatte bis dahin die Beitrittsverhandlungen des Landes mit NATO und EU blockiert. Nachwirkungen des Krieges Der als Kriegsfolge festgeschriebene ethnische Proporz lähmt BosnienHerzegowinas Entwicklung nachhaltig. Kriegsverbrecher wurden, oftmals nach langjähriger Fahndung, in Den Haag vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien zur Rechenschaft gezogen. Die nachhaltige nationalistische Verklärung der Generäle und Politiker führte jedoch fallweise sogar zu Freisprüchen in deren Heimatländern und generell zu einem schleppenden Prozess der Aufarbeitung der Gräueltaten der eigenen Seite. Während die Integration der einzelnen Staaten in die EU höchst unterschiedlich voranschreitet, stehen soliden ökonomischen Entwicklungen seit Kriegsende auch länderübergreifende Herausforderungen gegenüber, z. B. Abwanderung gut qualifizierter Arbeitskräfte, Beziehungen zur Diaspora, infrastrukturelle Defizite im ländlichen Raum und Integration von Minderheiten, z. B. der Romnija und Roma. 1998/99 kam es nach Jahren des weitgehend friedlichen Widerstands gegen staatliche Repressionen zum Krieg im Kosovo, der 2008 als siebente unabhängige Republik aus ExJugoslawien hervorging. Die Folgen des Zerfallsprozesses prägen die Nachfolgestaaten bis heute. Die Nachwirkungen des Zerfalls Jugoslawiens 5.9 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 MUSTER

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjg5NDY1NA==