230 Der demokratische Wandel im (süd-)östlichen Europa II 5.6 Die weitgehend synchron verlaufende Transformation der kommunistischen Diktaturen im (Süd-)Osten Europas unterschied sich im Detail von Land zu Land. Während Bulgarien einen friedlichen Übergang zu einer Mehrparteiendemokratie erlebte, fanden in Rumänien Straßenkämpfe statt, die letztlich in der Hinrichtung von Staatschef Nicolae Ceaușescu gipfelten. Das friedliche Ende der Ära Schiwkow In Bulgarien wurde im November 1989 der seit 1954 amtierende Staats- und Parteichef Todor Schiwkow von parteiinternen Reformkräften zum Rücktritt gedrängt. In den Jahren zuvor waren sämtliche Bemühungen zur Förderung des Wirtschaftswachstums gescheitert, die Auslandsschulden hatten sich vervielfacht. Dazu hatte sich ein zivilgesellschaftlicher Protest formiert und trat als Opposition zum Regime auf. Die Repressionen gegen die muslimischen Minderheiten im Land, die etwa über die erzwungene Annahme slawischer Namen und das Verbot von türkischsprachigem Unterricht zwangsassimiliert werden sollten, führten zu einer Massenauswanderung in die Türkei und zu einer zusätzlichen Delegitimierung des Regimes. Während Schiwkow Proteste noch polizeilich hatte unterdrücken lassen, stellte sich nach seinem Sturz die neue Parteiführung der Opposition und leitete den Übergang zu einer Mehrparteiendemokratie ein. Die ersten freien Wahlen seit 1946 fanden im Juni 1990 statt, wobei die Nachfolgepartei der KP, die BSP (Bulgarische Sozialistische Partei), die absolute Mandatsmehrheit erlangte. Die Hinrichtung Ceaușescus Das Ende des kommunistischen Regimes in Rumänien folgte ebenfalls Ende 1989, wobei die besonders unterdrückerische Diktatur unter Nicolae Ceaușescu (seit 1965 Parteichef und seit 1974 Staatspräsident) ein blutiges Ende fand. Jedwedes Aufbegehren gegen die zahlreichen Missstände im Land wurde von einem allgegenwärtigen Geheimdienst, der „Securitate“, im Keim erstickt. Im Dezember 1989 weiteten sich die Proteste im westrumänischen Timișoara jedoch auf andere Städte aus – trotz des brutalen Vorgehens des Staatsapparates gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten. Schließlich verweigerten sich Polizei und Armee der Order Ceaușescus, die Massenproteste blutig niederzuschlagen, wohingegen sich die Securitate mit den Protestierenden bis zuletzt heftige Straßenkämpfe lieferte. Ceaușescu und seine Frau Elena wurden auf der Flucht festgenommen, in einem improvisierten Schnellverfahren zum Tode verurteilt und am 25. Dezember 1989 hingerichtet. Die ersten freien Wahlen fanden im Mai 1990 statt. Das Ende der albanischen Isolation Albanien hatte 1961 mit der Sowjetunion gebrochen und sich in Richtung des maoistischen China orientiert. Seit Mitte der 1970er ging das Land schließlich einen Weg der Isolation, was sich auch in den berühmt gewordenen Hunderttausenden Bunkern widerspiegelte. Das Regime unter Enver Hoxha (bis 1985) mitsamt einer kompromisslosen Geheimpolizei etablierte eine grausame Diktatur. Die nur zögerlich vorgenommenen Reformen veränderten wenig im Land und trafen zwischen 1989 und 1991 auf zunehmende Proteste, insbesondere von Studierenden. Die ersten Wahlen fanden 1991 statt, wobei erst die Neuwahlen 1992 die neugegründete oppositionelle Demokratische Partei Albaniens (PDSh) an die Macht brachten. M 1: Der bulgarische Staatschef Todor Schiwkow (rechts, 1911–1998) mit dem rumänischen Staatschef Nicolae Ceaușescu (1918– 1989). Foto, unbekannt, 1970. M 2: Statue von Enver Hoxha (1908–1985), diktatorischer Herrscher der Sozialistischen Volksrepublik Albanien. Foto von Mike Goldwater, 1990. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 Bunker, die: Unter dem Regime von Enver Hoxha wurden in Albanien 170 000 Bunker gebaut. Sie dienten zum Schutz vor ausländischen Feinden im Falle einer Invasion. MUSTER
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