Denkmal 7/8 + E-Book

223 Die multipolare Welt nach 1989 M 2: Der damalige DDR-Bürger Hans Michael Fritz erinnert sich an seine Flucht im Jahr 1989: Unser Ziel war eine romanische Kirche im Dörfchen Jak, etwa vier Kilometer vom Eisernen Vorhang zum österreichischen Südburgenland entfernt. Dort gelang uns die Kontaktaufnahme zum Pfarrer der Kirche, der uns bis zur völligen Dunkelheit Asyl im Pfarrhaus gewährte und uns dann mit dem Pkw bis zum Dorfrand fuhr. Nun begann die Odyssee über circa zwölf Stunden in der stockfinsteren regennassen Nacht. Am nächsten Morgen waren wir physisch und auch psychisch am Ende und wollten uns schon den ungarischen Grenzern stellen. Dann der plötzliche Gedanke: Niemals wieder zurück! Es ging also im Morgengrauen weiter, ohne in der Busch- und Weidelandschaft jemals die Grenze entdecken zu können. Ein ungarischer Bauer half uns auf den letzten 200 Metern. Wir hetzten zum Grenzzaun aus Dornengestrüpp und Stacheldraht und krochen mit letzter Kraft hindurch. Niemand hinderte uns daran, obwohl ein Wachturm in nächster Nähe sichtbar war. Verunsichert und vorsichtig wanderten wir bis zum nächsten Ort, Oberbildein im südlichen Burgenland. Dort griff uns am Sonntagmorgen gegen 9.30 Uhr eine Streife der Zollwache auf. Erst in der sicheren Obhut der Zollwache und später beim Österreichischen Roten Kreuz in Güssing überkam uns die Gewissheit, dass wir in der Freiheit angelangt waren. https://www.wir-waren-so-frei.de/index.php/Detail/Object/Show/object_id/3106/set_id/206 (03.02.2021). D M 3: Der Musikjournalist Janosch Tröhler beurteilt die Bedeutung von „Sommer ’89“ kurz nach dem Erscheinen im Jahr 2017: Die Band demonstriert die Macht des Storytellings. Denn „Storytelling“ ist nicht nur bloßes Erzählen, sondern knüpft an unser kollektives Gedächtnis an. Es ist eine Strategie, die eine Wirkung beabsichtigt. Man braucht es nicht nur, um eine komplexe Materie wie die Migration einfach zu erklären, sondern spricht auch die Zuhörer auf intensive Weise an. […] Das Stück kommt uns für einen Popsong ungewohnt nah. Er provoziert Betroffenheit. Ein Gefühl, das wir heute mehr zur Profilierung in sozialen Netzwerken zur Schau stellen, denn es tatsächlich zu umarmen. Kettcars Sommer ’89 ist einer der wichtigsten Songs dieses Jahres, wenn nicht gar des Jahrzehnts. Sein Einfluss erstreckt sich über die musikalische, persönliche und gesellschaftliche Ebene. Tröhler, Janosch (2017): Kettcars „Sommer ’89“ – Die Macht des Storytellings, https://archiv.negativewhite.ch/musik/kettcars-sommer-89-die-macht-des-storytellings/ (02.02.2021). D 1. Analysieren Sie M 1. Achten Sie dabei insbesondere auf die eingenommene Perspektive. Berücksichtigen Sie auch M 3. 2. Interpretieren Sie den Liedtext M 1 nach möglichen Intentionen und Bewertungen der Ereignisse im Sommer 1989. 3. Vergleichen Sie die Quelle M 2 mit M 1. Beurteilen Sie, inwieweit politische Lieder dabei helfen können, derartige Ereignisse zeitgemäß darzustellen. 4. Verfassen Sie nun selbst eine Strophe sowie den Refrain eines politischen Songtextes zu einem aktuellen gesellschaftlichen Thema. Achten Sie dabei auf die Besonderheiten, die dieses Medium erfüllen sollte. Aufgaben MUSTER

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