Denkmal 7/8 + E-Book

198 Die nukleare Katastrophe von Tschernobyl, 1986 4.17 M 1: Das Atomkraftwerk in Tschernobyl in der damaligen Sowjetunion, aufgenommen wenige Tage nach dem Reaktorunglück am 26. April 1986. Foto von Volodymir Repik. M 2: Trailer zur Miniserie „Chernobyl“. https://www.youtube. com/ watch?v=V4z9eC9Y5Aw Im April 1986 kam es zu einem Unfall im sowjetischen Kernkraftwerk Tschernobyl. Infolge des Super-GAUs trat radioaktive Strahlung aus, die weite Landstriche kontaminierte und sich über Windverfrachtung europaweit verteilte. Das havarierte AKW sowie die evakuierte Stadt Prypjat sind heute Mahnmale für die Gefahren der Kernenergie. Die nukleare Katastrophe Am 26. April 1986 kam es um 01:23 Uhr im Rahmen eines simulierten Stromausfalls und des darauffolgenden unkontrollierten Leistungsanstiegs zu einer Serie von Explosionen, die den Reaktor und das Gebäude von Block 4 im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl zerstörten. Aus dem havarierten Kraftwerk in der Stadt Prypjat, die erst 1970 im Zusammenhang mit dem Bau des Kraftwerks gegründet worden war und zur Zeit des Unglücks rund 50000 Einwohnerinnen und Einwohner zählte, gelangte in den Tagen nach dem Unglück radioaktive Strahlung in die Erdatmosphäre. Durch Windverfrachtung wurde innerhalb von drei Tagen auch eine hohe Strahlenbelastung in Österreich festgestellt. Innerhalb von zehn Tagen war das AKW in der Sowjetunion zu einem globalen Problem geworden. Etwa 70 Prozent der radioaktiven Strahlung ging dabei auf Belarus nieder, dessen Staatsgebiet zu mehr als einem Fünftel verseucht wurde. Sowjetische Informationspolitik Nach der Katastrophe begannen die Dekontaminationsarbeiten, bei denen die Einsatzkräfte einer enormen, lebensbedrohlichen Strahlenbelastung ausgesetzt waren. Das Ausmaß der Katastrophe konnten sie aufgrund der ausbleibenden offiziellen Informationen selbst nur erahnen. Prypjat wurde erst am 27. April evakuiert, in weiteren Schritten auch die Einwohnerinnen und Einwohner in Sperrzonen von 10 bis 30 km. Mit Hubschraubern wurden Tonnen von Sand und anderen Materialien auf das Kraftwerk abgeworfen, womit der Brand und der Austritt von radioaktiver Strahlung eindämmt werden sollten. Anschließend wurde mit der Errichtung eines provisorischen Schutzmantels aus Stahlbeton begonnen. Die gesundheitlichen Folgen für die Bevölkerung, sowohl durch die direkte Strahlenbelastung als auch über kontaminierte Lebensmittel, waren enorm. Tausende Krebserkrankungen sind auf Tschernobyl zurückzuführen. Erst nachdem am 28. April in Schweden eine erhöhte radioaktive Strahlung aus Windrichtung Südost gemessen und veröffentlicht worden war, gab es auch in der Sowjetunion eine erste landesweite Meldung über einen Unfall im AKW Tschernobyl. Der eben erst eingeleitete Prozess der Glasnost (Offenheit, Transparenz, s. 5.1) schuf aber in der Sowjetunion auch Raum für eine zunehmende Diskussion über Missstände, wie etwa die rücksichtslose Umweltpolitik und daraus resultierende Probleme. Die Katastrophe von Tschernobyl war dabei der finale Anstoß für die Mobilisierung von Umweltbewegungen. Sie kanalisierten ihren Unmut über den staatlichen Raubbau an der Natur und die Ignoranz gegenüber den gesellschaftlichen Folgen in ökologischen Protesten. Nachwirkungen Tschernobyl wurde rasch zum Symbolbild für die Gefahren der Atomenergie. Nicht nur in der Sowjetunion kam es zu ökologischen Protesten, sondern auf der ganzen Welt erfuhren Anti-AtomkraftBewegungen Zulauf. Darüber hinaus fand Tschernobyl Eingang in die Geschichtskultur von Austro-Pop („Burli“, EAV 1987) bis hin zu Miniserien bei Streamingdiensten (HBO, 2019). Prypjat selbst ist heute eine Geisterstadt und bleibt ein Mahnmal für die Gefahren der Kernkraft. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 MUSTER

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