Denkmal 7/8 + E-Book

194 Die Neuen Frauenbewegungen 4.15 M 1: Simone de Beauvoir (1908– 1986), französische Schriftstellerin und Philosophin. Foto, unbekannt, 1967. M 2: Alice Schwarzer (* 1942), deutsche Journalistin. Porträtfoto, undatiert. Die Neuen Frauenbewegungen entwickelten sich infolge der Protestbewegungen der 1960er. Die Rufe nach echter Gleichberechtigung der Geschlechter wurden in den westlichen Staaten immer lauter, eine einflussreiche soziale Bewegung entstand. Damit einher ging ein neues, grundsätzliches Nachdenken über die Kategorie „Geschlecht“. Das Private ist politisch Hinter den Forderungen der Neuen Frauenbewegungen stand ein völlig neues Verständnis der Kategorie Geschlecht, das Simone de Beauvoir in ihrem Werk „Das andere Geschlecht“ 1949 entwickelt hatte. Sie erteilt darin dem allgemein verbreiteten Denkmuster von der grundsätzlichen „Natürlichkeit“ der Geschlechter eine Absage und unterstreicht das „Gewordensein“ des Frauseins. Diese Erkenntnis war ein historischer Meilenstein. Wenn Geschlecht nämlich sozial hergestellt wird, dann ist die gesellschaftliche Position der Frauen veränderbar. Das war das Ziel der Bewegungen: die Gesellschaft so zu verändern, dass die Gleichstellung von Frauen in allen Lebensbereichen tatsächlich gültig wird. Themen wie Mutterschaft, Haus- und Erziehungsarbeit oder Familienkonzepte wurden von den Akteurinnen nun als hochpolitische Angelegenheiten gedeutet. My Body, my Choice! Mit der Politisierung von vormals als „privat“ verstandenen Themen verbanden sich Forderungen nach der weiblichen Selbstbestimmung über Sexualität und Körper, etwa in Zusammenhang mit dem Thema Schwangerschaft. Besonders ungewollte Schwangerschaften wurden in den 1970er-Jahren durch die Frauenbewegungen zum Thema gesellschaftlicher und politischer Debatten. In der BRD wuchsen sich die Proteste gegen das Verbot der Abtreibung (§ 218) zur Massenbewegung aus. In der nach französischem Vorbild von Alice Schwarzer 1971 organisierten „Selbstbezichtigungskampagne“ machten Hunderte prominente Frauen öffentlich, dass sie eine Abtreibung hatten durchführen lassen. Tausende Frauen gingen für ihre Forderungen auf die Straße, aufgerufen etwa von der „Aktion 218“. Die Reform des § 218 brachte schlussendlich nicht die geforderte Fristenlösung. Stattdessen galt ab 1976 (bis 1996) in der BRD die Indikationsregelung, die eine Abtreibung nur in sehr eng definierten Ausnahmefällen vorsah. Fristenlösung, die: straffreier Schwangerschaftsabbruch bis zwölf Wochen nach der Empfängnis M 3: Die Soziologin Benita Roth erklärt das „Whitewashing“ der US-amerikanischen Feminismen durch die Forschung (2004): [Z]ur Frage nach dem Whitewashing der zweiten Welle [der US-amerikanischen] Frauenbewegung ist zu sagen, dass sie von Forscherinnen und Forschern als großteils „weiß“ konzipiert wurde. Sie konzentrierten sich auf die Anzahl und das Engagement von Feminists of Color in weißen feministischen Gruppierungen. Ihre vermeintliche Abwesenheit in der Bewegung wurde mit dem [problematischen Argument] erklärt, dass Women of Color in ihren Herkunftsmilieus gegenüber Männern weniger benachteiligt gewesen wären. […] [Das] machte Feminists of Color unsichtbar: Nicht nur, weil sie sich nicht in von weißen Frauen dominierten Gruppierungen engagierten; in solchen Erklärungsansätzen fehlte zudem die Einsicht, dass eine eigenständige Organisation von Women of Color überhaupt möglich gewesen wäre. Roth, Benita: Separate Roads to Feminism. Black, Chicana, and White Feminist Movements in America’s Second Wave. Cambridge University Press 2004, S. 7. Übersetzung der Schulbuchautorin. D 5 10 15 20 25 30 35 40 45 MUSTER

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