Denkmal 7/8 + E-Book

186 Österreichische Perspektive: Minderheitsregierung bis Kreisky 4.11 M 1: Bruno Kreisky (1911–1990) war österreichischer Bundeskanzler (1970–1983) und davor Außenminister (1959–1966). Porträtfoto, 1973. M 2: Kreisky vor dem Atomkraftwerk Zwentendorf. Foto, unbekannt, 1978. Mit dem Wahlsieg 1970 begann eine dreizehn Jahre andauernde sozialdemokratische Alleinregierung. Als Bundeskanzler trieb Bruno Kreisky zahlreiche Reformen in Österreich voran. Gleichzeitig polarisierte Kreiskys Führungsstil sehr. Auch seine Wirtschaftspolitik ist bis heute umstritten. Mit Taktik ins Bundeskanzleramt Angeblich wurde der Pakt zwischen dem Wahlsieger Kreisky und dem FPÖ-Chef Friedrich Peter, einem ehemaligen SSMitglied, bereits in der Wahlnacht fixiert. Der „Deal“ war recht simpel: Die FPÖ sollte für ein Jahr die SPÖ-Minderheitsregierung tolerieren, dafür würde diese ein neues, minderheitenfreundliches Wahlrecht beschließen. Weiters wurde der FPÖ der Botschafterposten in Bonn (BRD) zugesichert. Die so gewonnene Regierungszeit nutzte die SPÖ, um den Wehrdienst zu verkürzen, ein Familien-Startgeld einzuführen und die „Kleine Wahlrechtsreform“ zu beschließen. Nach einem Jahr gewann die SPÖ unter dem Slogan „Lasst Kreisky und sein Team arbeiten“ die Neuwahl mit absoluter Mehrheit. Reformen, Reformen, Reformen Mit der somit erreichten Gestaltungsfreiheit konnte die SPÖ zahlreiche Reformen umsetzen und das Land modernisieren sowie liberalisieren. Ihr Ziel war es, die soziale Gerechtigkeit in Österreich voranzubringen. Die Reform des Strafrechts, der Organisation der Universitäten oder des Familienrechts passten die Rechtslage den veränderten Realitäten an. Außerdem fokussierte sich Kreisky auf Bildung. Er führte die Schülerfreifahrt sowie kostenlose Schulbücher ein und sorgte für die Abschaffung der AHS-Aufnahmeprüfung sowie der Studiengebühren. Mit solchen Reformen gelang es der Partei, den konservativ geprägten Staat nachhaltig umzugestalten. Kreiskys Wirtschaftspolitik Mit diesen Reformen ging eine relativ gute Wirtschaftslage einher. Es herrschte fast Vollbeschäftigung, und die Wirtschaft wuchs kontinuierlich. 1973 kam es jedoch zum sogenannten „Ölpreisschock“, der das Wirtschaftswachstum verlangsamte. Dem wirkte die „antizyklische“ Wirtschaftspolitik Kreiskys und seines Finanzministers Hannes Androsch entgegen. Mittels „deficit spending“, also staatlicher Investitionen in die Wirtschaft, sollten Arbeitsplätze erhalten werden, was auch gelang. Während in der schwer getroffenen Stahlwirtschaft in Deutschland oder Großbritannien 25 Prozent der Arbeitskräfte entlassen wurden, blieb der Beschäftigungsstand in Österreich stabil. Allerdings verfolgte die SPÖ diese Linie auch weiter, als sich die wirtschaftliche Situation verbesserte. Das Budgetdefizit und die Staatsschulden wuchsen an, was die Opposition heftig kritisierte. Die von Kreisky schließlich angekündigten Steuererhöhungen zur Stabilisierung der Staatsfinanzen waren in der Bevölkerung unbeliebt und ein Grund für den Verlust der absoluten Mehrheit bei den Wahlen 1983. Zwentendorf Außerdem unterschätzte Kreisky die Bedeutung der neuen sozialen Bewegungen (s. 4.13). Besonders deutlich wurde dies rund um das Atomkraftwerk Zwentendorf. Kreisky sprach sich für das AKW aus und kündigte sogar seinen Rücktritt an, sollte das Wahlvolk in der ersten österreichischen Volksabstimmung (1978) dagegen stimmen. Als dies eintrat, respektierte Kreisky die Entscheidung, blieb aber im Amt und feierte im Jahr darauf seinen letzten großen Wahlerfolg. Auf diesen folgten allerdings Korruptionsskandale und wirtschaftliche Probleme. 1983 endete die Phase der Alleinregierungen. Kleine Wahlrechtsreform, die: verstärkte die Proportionalität zwischen Stimmen und Mandaten und brachte u. a. eine Erhöhung der Abgeordneten von 165 auf 183 und die Einführung eines Vorzugsstimmenwahlrechts 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 MUSTER

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjg5NDY1NA==