Denkmal 7/8 + E-Book

182 Außereuropäische Perspektive: Kultur in Afrika 4.9 M 1: 60 bis 90 Prozent der Bestände des Weltmuseums sollen schätzungsweise aus kolonialem Kontext stammen. Dazu gehört auch diese wertvolle BeninBronze. Das Museum schreibt online darüber: „Dieser Gedenkkopf eines Königs ist Teil der historischen Sammlungen aus dem Königreich Benin im heutigen Nigeria. 1897 wurde das Königreich erobert und dessen Oba (König) Ovonramwen ins Exil verbannt. Die aus dem Königspalast geraubten Kunstschätze wurden anschließend über den Kunstmarkt verkauft, um die Eroberung rückwirkend zu finanzieren. Viele dieser Objekte sind heute Teil europäischer Sammlungen.“ Zwischen 1945 und 1975 besaß die Dekolonisation vor allem eine politische und wirtschaftliche Tragweite. Mit dem Erlangen der staatlichen Unabhängigkeit kam eine weitere Dimension, die Kultur, hinzu. Die jungen Staaten benötigten ihr kulturelles Erbe, um ihre nationale Identität aufzubauen. Die Kolonialmächte hatten das Kulturgut während ihrer Herrschaft geraubt. Europas Gier nach Afrikas Erbe Die Kolonialmächte fühlten sich den Gesellschaften Afrikas kulturell überlegen. Deshalb behandelten sie sie als Menschen ohne Geschichte; diese habe erst durch die Ankunft Europas begonnen. Alles Kulturgut, das von der reichen, präkolonialen Vergangenheit zeugte, raubten die Kolonialmächte unter dem Denkmantel der Wissenschaft und brachten es in Museen. Auch dieser kulturelle Diebstahl ist bis heute Teil des Nord-Süd-Konflikts. Vergessene Restitutionsdebatte In den 1970er-Jahren wandten sich die neuen Staaten an diese Museen, um die geraubten Objekte nach Afrika zurückzuführen. Viele Museumsdirektorinnen und Museumsdirektoren aber blockten ab: Hauptargument war dabei die „Rettungserzählung“, also die Vorstellung, dass das Kulturgut einzig durch den Eingriff Europas vor dem Verlust gerettet wurde und zur eigenen Sicherheit auch dort verbleiben müsse, weil Afrika gar nicht über Museen verfüge. Das allerdings stimmte nicht. In den neuen Staaten wurden Museen gebaut, die aber häufig mangels Objekten bald wieder schließen mussten. Die Museen Europas wehrten sich jedoch vorerst mit Erfolg gegen eine Restitution. Expertinnen und Experten schätzen, dass sich – bis heute – 90 Prozent des Kulturgutes Afrikas in westlichen Museen befinden. Dekolonisation der Museen Nach der UN-Deklaration über die „Rechte der indigenen Völker“ (2007) kam die Debatte wieder in Schwung. Afrikanische Staaten erneuerten in den 2010er-Jahren ihre Restitutionsforderungen, die sie oft mit der Forderung nach Entschuldigungen für die Kolonialverbrechen verknüpften. Während bezüglich der Rückgabe von menschlichen Überresten bald Einigkeit herrschte, sträubten sich die Museen nach wie vor, Kunstobjekte zurückzugeben, und griffen dabei wiederum auf die „Rettungserzählung“ zurück. Der französische Präsident Emmanuel Macron sorgte mit einer Rede in Burkina Faso 2017 für eine Wende: Er versprach die Rückführung des Kulturguts. Im Auftrag Macrons legten die Französin Bénédicte Savoy und der Senegalese Felwine Sarr eine Studie über die Rückgabe des Kulturerbes vor. Diese Studie wurde von Museen in ganz Europa rezipiert und führte dazu, dass viele Staaten nachzogen. Sie wurden erste gestohlene Objekte ab 2020 an afrikanische Staaten zurückgeben. Die Dekolonisation der Museen hat begonnen. Black Lives Matter Neben der Restitutionsdebatte zwang noch ein weiteres Ereignis der jüngsten Vergangenheit die Staaten Europas, sich ihrer Kolonialvergangenheit zu stellen: Als 2020 der Afroamerikaner George Floyd von Polizisten in den USA ermordet wurde, formierte sich unter dem Schlagwort „Black Lives Matter“ weltweit Widerstand gegen rassistische Polizeigewalt. Sehr bald richteten sich die Proteste auch gegen Statuen und Straßennamen, die die koloniale Vergangenheit glorifizierten. Rassistische Diskriminierung ist ein Erbe des Kolonialismus. Aktivistinnen und Aktivisten fordern deshalb die Entfernung dieser Statuen und Straßennamen. Deklaration über die Rechte der indigenen Völker, die: verpflichtete die UNO-Staaten, für kulturelles Eigentum, das sie Völkern geraubt hatten, Wiedergutmachung bzw. Rückerstattung zu leisten 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 MUSTER

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