Denkmal 7/8 + E-Book

170 1968 – Unis, Hippies, Aufbruch 4.3 1968 markierte den Höhepunkt der Bürgerinnen- und Bürgerproteste. Die sogenannte „Neue Linke“ demonstrierte sowohl gegen den Vietnamkrieg als auch für die Anliegen der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA. In Deutschland setzte sich die Nachkriegsgeneration mit dem Vermächtnis des Nationalsozialismus auseinander. Hippies und die 68er-Bewegung Schon zu Beginn der 60er-Jahre entstand in Amerika die „Hippie“-Bewegung, die einen Gegenentwurf zur Kapitalismusgesellschaft skizzierte: Konsumkritik, freie Sexualität und eine Abkehr von klassischen Lebensmodellen wie der Familie waren nur einige der Ausprägungen dieser Jugendbewegung. Größter gesellschaftspolitischer Erfolg der Hippies war ihr Engagement in den Anti-Vietnamkriegsprotesten („Make love, not war“): 1968 bejahte erstmals eine Mehrheit der US-Amerikanerinnen und -Amerikaner den Abzug aus Vietnam und ging dafür auf die Straße. Viele waren nicht mehr bereit, das Leben der USSoldaten in Südostasien für ideologische Ziele aufs Spiel zu setzen. Die Demonstrationen weiteten sich auf andere Länder der Welt aus, auch wenn in Europa die USA aufgrund ihres Kapitalismusgedankens als Feindbild galten. Vor allem in der Bundesrepublik Deutschland kam es zu Protesten von Studentinnen und Studenten – zum Unverständnis der Elterngeneration, die die USA als Schutzmacht betrachtete. Die außerparlamentarische Opposition Mitentscheidend für den von der Elterngeneration oft als provozierend empfundenen Protest war die unzureichend aufgearbeitete NS-Zeit. Die meisten der Demonstrantinnen und Demonstranten hatten das Hitler-Regime nicht miterlebt und setzten sich nun mit den Verbrechen des Nationalsozialismus auseinander, zu denen ihre Eltern meist schwiegen. Dabei war die 68er-Bewegung mehr als nur ein Generationenkonflikt: Innenpolitisch richteten sich die Proteste gegen die Große Koalition von CDU und SPD, einzig verbliebene Oppositionspartei war die FDP. Viele junge Linke sahen sich von der Großen Koalition nicht repräsentiert und beriefen sich auf die maßgeblich vom Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) getragene APO (Außerparlamentarische Opposition) als ihr Sprachrohr. Die APO bildete das lauteste Gegengewicht zur von der Koalition angestrebten Notstandsgesetzgebung von 1968, die zeitweise Grundrechte außer Kraft setzen konnte. Hochschulproteste weiten sich aus Der SDS wies wiederholt auf die NS-Vergangenheit von Professorinnen und Professoren hin und wollte eine Demokratisierung der Universitäten erreichen. Seine Anhängerinnen und Anhänger protestierten gegen die aus ihrer Sicht veralteten Hochschulgremien und das fehlende Mitspracherecht der Studierenden. Eine generelle Radikalisierung der Proteste war Ende der 1960er-Jahre nicht mehr aufzuhalten: Im Juni 1967 gingen Demonstrantinnen und Demonstranten in Westberlin auf die Straße, um friedlich gegen den Deutschlandbesuch des persischen Schahs zu demonstrieren. Die Protestkundgebung wurde von der Polizei gewaltsam aufgelöst, dabei wurde der 26-jährige Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten aus kurzer Distanz erschossen. Die aufgeheizte Stimmung kochte über: „Heute Ohnesorg, morgen wir“ gaben die Demonstrierenden am nächsten Tag als Parole aus und sahen sich in ihrer Version Westdeutschlands als autoritären Polizeistaat bestätigt. SPD, die: Sozialdemokratische Partei Deutschlands; eine sozialreformerische und -fortschrittliche Volkspartei CDU und SPD waren die beiden großen Volksparteien der deutschen Nachkriegsgeschichte. CDU, die: Christlich Demokratische Union; eine gemäßigt konservativliberale Volkspartei; überkonfessionell ausgerichtet FDP, die: Freie Demokratischen Partei; wirtschaftsliberale Partei in Deutschland, die sich vor allem an das mittlere und gehobene Bildungsbürgertum sowie an Industrie und Wirtschaft wendet 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 MUSTER

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjg5NDY1NA==