166 Das „Goldene Zeitalter“ 4.1 Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte Europa einen außergewöhnlichen Wirtschaftsboom. Die Volkswirtschaften Westeuropas wuchsen durchschnittlich um fünf Prozent pro Jahr. Das „Goldene Zeitalter“ endete erst in den 1970er-Jahren. Hochkonjunktur und Babyboom Bis heute gibt es keine abschließende Erklärung für dieses enorme Wachstum. Normalerweise folgen auf große Kriege schwere Wirtschaftskrisen, das war auch nach dem Ersten Weltkrieg so gewesen. In der Zeit nach 1945 entwickelte sich insbesondere die (süd-)westeuropäische Wirtschaft jedoch sehr positiv. Einerseits bewirkten die US-amerikanischen Wirtschaftshilfen in der unmittelbaren Nachkriegszeit eine rasche Erholung von den Kriegsfolgen. Als letzte Länder Mittel- und Westeuropas erreichten Österreich und Deutschland 1951 das Vorkriegsniveau ihrer Wirtschaftskraft. Andererseits verfolgten die ausschlaggebenden Politikerinnen und Politiker das Ziel, eine wirtschaftliche Depression wie in der Zwischenkriegszeit zu verhindern. Eine wichtige Entscheidung war das Abkommen von Bretton-Woods, in dem alle westlichen Währungen an den US-Dollar gebunden wurden. Dadurch konnten die Währungen stabil gehalten werden, was für die Wirtschaftsentwicklung förderlich war. Weltweit wurden Zölle abgebaut, um den internationalen Handel anzutreiben. Außerdem kam es in vielen Bereichen zu technologischen Entwicklungen, was den starken Wirtschaftsaufschwung ebenfalls begünstigte. Dieser führte bald zu einer Verbesserung des Lebensstandards und hatte auch Auswirkungen auf die Geburtenrate: Diese stieg europaweit so stark an, dass Historikerinnen und Historiker heute von einem „Babyboom“ sprechen. Das „deutsche Wirtschaftswunder“ Besonders in der neu entstandenen Bundesrepublik Deutschland erholte sich die Wirtschaftslage sehr schnell. Die Industrie und die gesamte Produktion wuchsen rasch an. Für den schnellen Aufschwung mitverantwortlich waren auch Unternehmen, die aus der DDR abwanderten und sich in Westdeutschland niederließen, wie etwa Audi oder Siemens. Bereits ab 1955 wurden z. B. mit Italien, Portugal, Spanien und der Türkei Anwerbeabkommen für sogenannte „Gastarbeiter“ abgeschlossen. „Made in Germany“ wurde zum weltweit beliebten Siegel – 1960 war der Export bereits 4,5-mal so hoch wie noch 1950. Der „American Way of Life“ in Europa Mit dem Wirtschaftsaufschwung veränderte sich auch der Lebensstil. Das Auto wurde zum Statussymbol, Elektrogeräte bereicherten die Haushalte. Die Ernährungslage kehrte sich vom Mangel zum Überfluss. In den 1960ern fuhren viele Familien wieder auf Urlaub, ab Mitte des Jahrzehnts wurden vor allem die Mittelmeerländer und -inseln ein beliebtes Reiseziel. 40 45 50 55 60 „Gastarbeiterin“, die; „Gastarbeiter“, der: Der Begriff spiegelt wider, wie die aufstrebenden Länder mit den angeworbenen Arbeitskräften umgehen wollten. Diese sollten als „Gäste“ für die Zeit des Arbeitskräftemangels ins Land kommen, ohne sich dauerhaft niederzulassen. Daher hatte die Politik ursprünglich keine Anstrengungen zu deren gesellschaftlicher Integration unternommen. M 1: 1955 wurde der – extra vergoldete – millionste VW Käfer in Wolfsburg produziert. Der Käfer wurde zum Symbol des neuen Wohlstands. In diesem Jahr wuchs die deutsche Wirtschaft um 10 Prozent, die Anzahl der Autos in der BRD um 19 Prozent. Foto, 1955. 5 10 15 20 25 30 35 MUSTER
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