Denkmal 7/8 + E-Book

12 November 1918: der Beginn des „kurzen“ 20. Jahrhunderts 1.1 Das Ende des Ersten Weltkriegs änderte die politische Weltordnung. Die USA nahmen die Führungsposition ein, welche sie bis heute beanspruchen. Europas politische Bedeutung nahm ab, eine neue Zeit brach an: das „kurze“ 20. Jahrhundert. „Wir bitten um Waffenstillstand“ In einer letzten Großoffensive im Frühsommer 1918 hatte die militärische Führung des Deutschen Reiches versucht, den Krieg für sich zu entscheiden. Nach dem Frieden von Brest-Litowsk, der Sowjetrussland nur unter harten Bedingungen gewährt worden war, hatte sich das Deutsche Reich irrtümlicherweise dem Sieg nahe gesehen und die Veränderung, die durch den Kriegseintritt der USA im Frühling 1917 eingetreten war, unterschätzt. Dieser war neben der katastrophalen Versorgungssituation der Hauptgrund für die Niederlage im Herbst 1918. Am 11. November 1918 unterzeichnete der Reichstagsabgeordnete Matthias Erzberger, der Leiter der deutschen Abordnung, nach wochenlangen Verhandlungen den Waffenstillstand im Wald von Compiègne. Damit hatte das Deutsche Reich faktisch kapituliert. Die deutschen Militärs – allen voran die Generäle Erich von Ludendorff und Paul von Hindenburg – übernahmen die Verantwortung für die Niederlage nicht und überließen die Verhandlungen über den Waffenstillstand einer zivilen Kommission aus Politikern. Damit wurde der Nährboden für die „Dolchstoßlegende“ gelegt, die der (demokratischen) Politik die alleinige Verantwortung für die deutsche Niederlage zuschrieb: Diese habe die „im Felde ungeschlagenen“ Soldaten von hinten erdolcht und mit der Entente Frieden geschlossen. Kaiser stürzen, Imperien zerfallen Der deutsche Kaiser Willhelm II. hatte bereits abgedankt, wie auch Kaiser Karl I., der letzte habsburgische Kaiser von Österreich. In Berlin wurde die Republik ausgerufen und die Habsburgermonarchie zerfiel in mehrere kleine Staaten, die sich zunächst demokratische Verfassungen gaben. Auch das Osmanische Reich zerbrach 1918, und der letzte Sultan wurde 1922 abgesetzt (so wie der russische Zar bereits 1917). Damit waren vier Imperien im Zuge des Ersten Weltkriegs, den vor allem das Deutsche Reich und das Habsburgerreich zu verantworten hatten, verschwunden. Die politischen Landkarten Europas und der Welt veränderten sich dadurch maßgeblich. Vor allem die USA hatten ihre wirtschaftliche Stärke in eine weltpolitische Dominanz gewandelt. Ein zwanzigjähriger Waffenstillstand? Im Jänner 1919 begannen die Friedenskonferenzen unter Federführung der alliierten Hauptmächte in Paris. Der USPräsident Woodrow Wilson ließ keinen Zweifel daran, dass sich die amerikanische Dominanz auch in den Ergebnissen der Friedenskonferenz widerspiegeln sollte. Dafür hatte er ein vierzehn Punkte umfassendes Programm formuliert, das er als Grundlage der Verhandlungen verstand. Seine europäischen Partner verfolgten allerdings andere Ziele. Vor allem Frankreich, das nach 1870 bereits zum zweiten Mal vom Deutschen Reich angegriffen worden war, verlangte eine deutliche und nachhaltige Schwächung seines Hauptgegners. Dieses Ziel wurde im Friedensvertrag von Versailles (s. 1.2) schließlich auch erreicht: das Deutsche Reich wurde so sehr geschwächt, dass Marschall Foch, der Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Entente, über den Vertrag urteilte: „Das ist kein Frieden. Es ist ein Waffenstillstand auf 20 Jahre.“ Damit brachte er seine Befürchtung zum Ausdruck, dass die harten Friedensbedingungen in einen neuen Krieg führen würden. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 Frieden von BrestLitowsk, der: Friedensvertrag zwischen den Mittelmächten und Sowjetrussland; Russland schied damit aus den Kampfhandlungen des Ersten Weltkrieges aus. M 1: Paul von Hindenburg, 1847–1934, Generalfeldmarschall; mit Erich von Ludendorff von 1916– 1918 Chef der Obersten Heeresleitung des Deutschen Reiches, ab 1925 Reichspräsident; ernannte am 30.1.1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler M 2: Woodrow Wilson, 1856–1924, 28. USPräsident 1913–1921. MUSTER

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