Denkmal 7/8 + E-Book

135 Die bipolare Welt nach 1945 M 4: In der bekannten Karikatur von E. H. Köhler wird der erfolgreiche Abschluss des Staatsvertrages mit dem Charme der österreichischen Verhandler verknüpft. Julius Raab zupft als Heurigensänger die Zither und Leopold Figl flüstert ihm ins Ohr. In der Bildunterschrift heißt es: „Weaner Charme in Moskau: ,Und jetzt, Raab – jetzt noch d’ Reblaus, dann sans waach!‘“. Zeitschrift „Simplicissimus“, Jg. 1955, Nr. 17., S. 3. Aufgaben 1. Interpretieren Sie die Karikatur aus dem „Simplicissiumus“ (M 4) über den entscheidenden Abend bei den Verhandlungen in Moskau. 2. Dekonstruieren Sie mit dem Bericht aus dem Ö1-Mittagsjournal (M 3) den Mythos von der „Reblaus“ als österreichische Verhandlungsstrategie. 3. Erörtern Sie mögliche Gründe, weshalb der Kraftwerksbau von Kaprun heute eher als problematischer Gründungsmythos der Republik gilt. Zähe Verhandlungen um den Staatsvertrag Während sich die wirtschaftliche Situation langsam verbesserte, schien das politische Hauptziel, die Wiedererlangung der vollen Eigenständigkeit, in immer weitere Ferne zu rücken. Im eskalierenden Ost-West-Konflikt wurde Österreich zum Spielball der Weltpolitik. Die USA fürchteten eine weitere Ausdehnung des sowjetischen Machtbereichs, die UdSSR verlangte aber eine Verknüpfung der österreichischen mit der deutschen Situation und hatte eine entmilitarisierte Zone zwischen den beiden Blöcken im Sinn. Erst das politische „Tauwetter“ nach Stalins Tod 1953 löste das Patt: Österreich verpflichtete sich öffentlich zur „immerwährenden“ Neutralität nach Schweizer Vorbild. Dies wurde in den entscheidenden Verhandlungen im April 1955 in Moskau vereinbart. Lange Zeit hielt sich im kollektiven österreichischen Gedächtnis die Erzählung, dass der Verhandlungsdurchbruch erst durch erhebliche Mengen Alkohol (siehe M 4) möglich wurde. Unterzeichnet wurde der Staatsvertrag in Wien im Oberen Belvedere. Am 15. Mai konnte der österreichische Außenminister Leopold Figl den berühmten Ausruf tätigen: „Österreich ist frei!“ 55 60 65 70 75 80 85 Reblaus, die: eigentlich eine Laus, die sich gerne über Rebstöcke hermacht. Hier ein typisches Wiener Heurigenlied, in dem sich der Sänger mit einer weinliebenden Reblaus vergleicht. MUSTER

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