Denkmal 7/8 + E-Book

132 In Österreich erlebten die Menschen das Kriegsende sehr unterschiedlich. Wien wurde bereits am 23. April von der Roten Armee befreit, das Konzentrationslager Mauthausen erst am 5. Mai. In Graz dauerte die NS-Herrschaft noch bis zum 8. Mai an. Danach begann eine Phase der Besatzung, des Wiederaufbaus und der Entnazifizierung. räumarbeiten in den teils völlig zerstörten Städten mit schwerem Gerät aushalfen. Frauen hatten dabei die Hauptlast zu tragen, da besonders in den ersten Monaten viele Männer noch nicht aus dem Krieg zurückgekehrt waren. Die schwere körperliche Arbeit führte nach deren Rückkehr aber nicht zu einem veränderten Frauenbild – sobald die Männer zurück waren, wurden ihre Frauen wieder in den Haushalt und die Abhängigkeit gedrängt. Gleichzeitig pflegte man jedoch den Mythos der aufopferungsvollen „Trümmerfrauen“, die sich um den Wiederaufbau verdient gemacht hatten. Dass es sich dabei oft um verurteilte Nationalsozialistinnen gehandelt hatte, die zu den Aufräumarbeiten gezwungen worden waren, wurde bewusst verschwiegen. Kriegsheimkehrer und Besatzungskinder Die Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft erfolgte manchmal erst nach vielen Jahren. Oft kamen die Ehemänner, Söhne oder Brüder als traumatisierte oder desillusionierte, teils auch kriegsversehrte Männer zurück, die sich zu Hause nicht mehr zurechtfanden. Der Wiedersehensfreude folgten häufig Enttäuschung und Gewalt. Zudem blieb auch die Präsenz der Besatzungssoldaten in Österreich nicht folgenlos. Aus der anfänglichen distanzierten Haltung der Bevölkerung entwickelten sich vielfältige Beziehungen zwischen Siegern und Besiegten. Diese Verbindungen hatten für die österreichischen Frauen und ihre Kinder („Besatzungskinder“) oft die gesellschaftliche Ächtung zur Folge. Befreit und besetzt Während der Krieg Anfang Mai in weiten Teilen Österreichs schon zu Ende war, wurden noch Tausende Menschen – aus dem Widerstand, Jüdinnen und Juden, Wehrmachtsdeserteure, aber auch „einfache“ Menschen, die zu früh eine weiße Fahne gehisst hatten – im Zuge der „Endphaseverbrechen“ ermordet. Bereits am 27. April hatte eine provisorische Regierung aus Sozialdemokraten, Christlichsozialen und Kommunisten eine Unabhängigkeitserklärung (M 7) veröffentlicht, in der die Wiedererrichtung der Republik proklamiert wurde. In den Wochen danach wurde das Staatsgebiet von den vier alliierten Mächten Frankreich (Vorarlberg, Tirol), Großbritannien (Osttirol, Kärnten, Steiermark), den USA (Salzburg, Oberösterreich, Salzkammergut) und der Sowjetunion (Niederösterreich, Burgenland) besetzt. Die Bundeshauptstadt Wien wurde ebenfalls aufgeteilt, der 1. Bezirk gemeinsam verwaltet. Diese Aufteilung blieb bis 1955 bestehen. Die Besatzungspraxis unterschied sich in den einzelnen Zonen stark. Mythos Trümmerfrau Überall begannen die Menschen, die Kriegsschäden zu beseitigen und den wirtschaftlichen und kulturellen Alltag wieder aufzubauen. Bereits am 6. Mai spielten die Vienna und der Wiener Sportclub das erste öffentliche Fußballmatch, das Burgtheater hatte schon am 30. April die erste Aufführung gegeben, und auch die Kinos öffneten bald wieder. Die provisorische Regierung ergriff sofort wirtschaftspolitische Maßnahmen, um die Grundversorgung der Bevölkerung zu sichern. Dabei wurde sie von den Alliierten unterstützt, die auch bei den Auf3.7 Österreichische Perspektive: die unmittelbare Nachkriegszeit M 1: Wien 1945– 1955, Besatzungszeit. Die Vier im Jeep. Gemeinsame Militärstreife der vier Besatzungsmächte in der Internationalen Zone (1. Bezirk). Foto, unbekannt, 1947. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 Endphaseverbrechen, die: Verbrechen, die vom NS-Regime in der letzten Phase des Krieges durchgeführt wurden. Dazu gehörten u. a. die sogenannten „Todesmärsche“. MUSTER

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