104 Österreichische Perspektive: Konzentrationslager Mauthausen 2.27 Aufbau und Lagersystem Im März 1938 verkündete der Gauleiter von Oberdonau (heute Oberösterreich) stolz der Öffentlichkeit, dass in seinem Gau ein KZ errichtet werden sollte. Im Sommer wurden die ersten Häftlinge aus dem KZ Dachau nach Mauthausen überstellt, um hier ein Lager aufzubauen. Es bestand aus verschiedenen Baracken, Werkstätten, Magazinen, Krematorien, Hundezwingern etc. und war von einer Mauer bzw. elektrisch geladenem Stacheldraht umgeben. Für die Bewachung sowie die innere Organisation waren SSAngehörige zuständig. Ab 1939 wurden auch Außenlager errichtet, und der gesamte Mauthausen-Komplex umfasste so österreichweit rund 50 Lager. Häftlinge In Mauthausen und seinen Außenlagern waren insgesamt ca. 190 000 Menschen inhaftiert – zum Großteil Männer. In der ersten Zeit kamen sie vor allem aus Deutschland und Österreich; nach Kriegsbeginn stammten über 90 Prozent aus dem Ausland (72 Nationen). Zu den Häftlingsgruppen zählten unter anderem politische Gefangene, aus rassistischen Gründen Verfolgte (wie Juden und Jüdinnen oder Roma und Romnia), „Kriminelle“, „Asoziale“, Homosexuelle, Kriegsgefangene oder „Spanienkämpfer“ (s. 1.5). Trotz der Heterogenität ihrer Zusammensetzung kam es zu Akten der Solidarität und des Widerstandes unter den Gefangenen. „Vernichtung durch Arbeit“ Mauthausen galt als gefürchtetes Lager mit einer hohen Todesrate. Man sah in den Inhaftierten „Menschenmaterial“, deren Arbeitskraft bis zum Tod ausgebeutet werden sollte. Kranke oder Arbeitsunfähige ließ man sterben oder sie wurden ermordet. Zur gleichzeitigen Tötung größerer Personengruppen wurde 1941 mit dem Bau einer Gaskammer begonnen. Der Häftlingsalltag war geprägt von Schwerstarbeit, Gewalt, Erniedrigungen, Willkür, Misshandlungen, mangelnder Hygiene, Unterernährung und medizinischer Unterversorgung. Die Häftlinge verrichteten Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie, in der Bauwirtschaft sowie Steinbrucharbeiten. Im Lager selbst befand sich ein Steinbruch, welchen man über eine steile „Todesstiege“ erreichte. Die Gefangenen mussten schwere Granitquader schleppen; viele kamen dabei zu Tode. Endphase und Befreiung Im Rahmen der sog. „Evakuierungsmärsche“ („Todesmärsche“) trafen 1944/45 zusätzlich Zehntausende Häftlinge im Lagersystem Mauthausen ein. Viele von ihnen wurden noch ermordet, bevor die SS die baulichen Einrichtungen zur Massentötung beseitigen ließ, um belastende Spuren zu beseitigen. Im Februar 1945 fand auch die größte Widerstandsaktion des KZ statt, als rund 400 Häftlingen die Flucht gelang. Daraufhin wurden sie in einer großen Suchaktion, an welcher sich Teile der Zivilbevölkerung beteiligten, gejagt. Fast alle Geflüchteten wurden ermordet; nicht einmal ein Dutzend überlebte diese „Mühlviertler Hasenjagd“. Als die Fronten immer näher rückten, ergriff die SS selbst die Flucht. Am 5. Mai 1945 wurde das KZ Mauthausen von der US-Armee befreit. Seit 1998 gilt daher der 5. Mai in Österreich als „Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus“. Todesmärsche, die: NS-Lager in Frontnähe wurden zu Kriegsende aufgelöst und die Häftlinge in andere Lager getrieben, wobei viele zu Tode kamen. Das Konzentrationslager („KZ“) Mauthausen war das größte nationalsozialistische KZ auf dem Gebiet des heutigen Österreich. Es wurde von der SS errichtet und entwickelte sich im Laufe des Krieges zu einem komplexen Lagersystem mit zahlreichen Nebenlagern. Heute ist das ehemalige KZ eine Gedenkstätte. „Asozialen“, die: NS-Sammelbegriff für als „minderwertig“ angesehene soziale Randgruppen mit abweichendem sozialem Verhalten (z. B. Suchtkranke, Prostituierte, Obdachlose) „Spanienkämpfer“, die: internationale Einheiten, die im Spanischen Bürgerkrieg auf der Seite der Spanischen Republik und gegen die faschistischen Truppen unter Francisco Franco kämpften Mehr dazu … Mauthausen-Überlebende im Interview: https://www.mauthausen-memorial. org/de/Videos?c=2 Die Graphic Novel „Mauthausen“ aus dem Jahr 2021 berichtet vom katalanischen Fotografen Francisco Boix, der in Mauthausen inhaftiert war. Seine aus dem KZ geschmuggelten Fotos dienten in den MauthausenProzessen als Beweismittel. 40 45 50 55 60 65 70 75 5 10 15 20 25 30 35 MUSTER
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