102 Österreichische Perspektive: „Anschluss“ 2.26 Außenpolitischer Druck und „Volkserhebung“ Hitler strebte aus verschiedenen Gründen einen „Anschluss“ Österreichs an Deutschland an, unter anderem wegen seiner strategischen Lage und seiner Rohstoffe. So erhöhte Deutschland zunehmend den Druck auf Österreich. Am 12. Februar 1938 unterzeichneten Bundeskanzler Kurt Schuschnigg und Adolf Hitler das „Berchtesgadener Abkommen“, das der in Österreich eigentlich verbotenen nationalsozialistischen Bewegung zahlreiche Zugeständnisse machte: Unter anderem wurde der Nationalsozialist Arthur Seyß-Inquart Innenminister; Nationalsozialisten wurden in die Verwaltung aufgenommen. In der Folge traten sie in der Öffentlichkeit zunehmend aggressiv auf, in großen NS-Demonstrationen versuchte man, weitere Zugeständnisse zu erreichen. Außenpolitisch wurde der Druck neuerlich erhöht. Schuschniggs Rückzug Schuschnigg setzte schließlich für den 13. März eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Österreichs an. Das Deutsche Reich forderte deren Absage, den Rücktritt der Regierung Schuschniggs sowie die Ernennung einer NS-Regierung unter Seyß-Inquart und drohte mit einem militärischen Einmarsch in Österreich. Am 11. März gab Schuschnigg nach. Er sagte die Volksabstimmung ab und erklärte öffentlich seinen Rücktritt („Gott schütze Österreich.“). Daraufhin kam es bundesweit zu nationalsozialistischen Großkundgebungen, strategisch wichtige Gebäude wurden besetzt und zahlreiche Menschen aus politischen bzw. rassistischen Gründen verhaftet. Seyß-Inquart bildete eine neue Regierung. „Anschluss“ auf verschiedenen Ebenen Der „Anschluss“ vollzog sich somit auf mehreren Ebenen: Die politische Machtübernahme erfolgte sowohl auf Bundesebene durch die bereits in der Verwaltung und Regierung installierten NS-Funktionäre als auch auf lokaler Ebene durch NS-Funktionäre vor Ort. Außerdem wurde er unter dem Schlagwort „Heimholung der Ostmark ins Reich“ durch den Einmarsch deutscher Truppen am 12. März vollzogen und am 13. März durch ein Gesetz bestätigt, das Österreich an das Deutsche Reich angliederte und somit das Ende des selbstständigen Österreichs bedeutete. Gewalt und „Volksabstimmung“ Von großen Teilen der Bevölkerung öffentlich freudig begrüßt, stieß der „Anschluss“ auch international kaum auf Widerstand, obwohl es parallel dazu zu Demütigungen und gewaltsamen Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung kam (Verhaftungen, Plünderungen, „Reibpartien“ etc.). Um die „Wiedervereinigung mit dem „Deutschen Reich“ als „Volkswillen“ darzustellen, ließ Hitler eine „Volksabstimmung“ für den 10. April ansetzen, welche von zahlreichen Propagandamaßnahmen begleitet wurde. Die Abstimmung wurde weder frei noch geheim durchgeführt, zahlreiche Menschen waren aus rassistischen und politischen Gründen ausgeschlossen worden. Das Ergebnis brachte über 99 % „Ja“-Stimmen. 1938 erhielt die eigentlich verbotene nationalsozialistische Bewegung in Österreich einen neuen Aufschwung. Sie wurde im öffentlichen Raum zunehmend präsenter und versuchte dadurch zusätzlich Druck auf die Regierung auszuüben. Die innen- und außenpolitischen Entwicklungen führten im März 1938 zum sogenannten „Anschluss“. M 1: Das Jahr 1938 (österreichische Mediathek): https:// www.mediathek. at/1938/ . M 2: Stimmzettel bei der „Volksabstimmung“ vom 10. April 1938. 35 40 45 50 55 60 65 70 5 10 15 20 25 30 MUSTER
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