Denkmal 7/8 Thomas Lang | Georg Marschnig (Hg.) MUSTER
Umschlagbild: Das Denkmal des Künstlers Brian McCutcheon trägt den Titel „MVP“ (engl. Abkürzung für den „Most Valuable Player“ eines Matches). Es zeigt ein junge afroamerikanische Basketballspielerin, die gerade den Ball erobert hat. Das Denkmal stellt die Kraft und das Potenzial junger Frauen in ihrem Streben nach Erfolg durch Entschlossenheit und harte Arbeit dar. Das Kunstwerk ist von der Sportlerin Ora Washington (1898-1971) inspiriert. Ora Washington war eine legendäre, bahnbrechende Basketballerin und Tennisspielerin der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ihre Erfolge erzählen eine Geschichte der Entschlossenheit, die über die Ungerechtigkeit der Rassendiskriminierung jener Zeit in den USA triumphiert. Denkmal 7/8 mit E-BOOK+ Schulbuch-Nr. 220 543 ISBN 978-3-7055-3666-1 Demoversion Dazu passend finden Sie im weitere Materialien (Anzahl): H5P = H5P-Aufgaben / iK+A = interaktive Karten mit Aufgaben und Lösungsvorschlägen / T = Timelines / P+A = Podcasts und Arbeitsblätter Kapitel H5P iK+A T P+A 1 Die Pariser Vorortverträge und ihre Folgen 3 1 1 4 2 Nationalsozialismus – Holocaust – Zweiter Weltkrieg 3 1 1 3 3 Die bipolare Welt nach 1945 4 1 2 1 4 Transformationen nach 1968 5 1 2 3 5 Die multipolare Welt nach 1989 1 1 2 3 6 Weltpolitik heute und die Rolle der Medien 2 1 3 MUSTER
Atlantischer Ozean Pazifischer Ozean Libyen FranzösischWestafrika Be K Frankreich Po S Vereinigtes Königreich Kanada Mexiko Peru Bras i l ien Argentinien Vereinigte Staaten von Amerika Deutsches Reich Pearl Harbor San Francisco Québec Washington Casablanca Potsdam 20° Ost 40° 60° 20° Ost 20° West 60° 66,5° 40° 0° 20° Süd 23,5° 66,5° 40° 60° 80° 160° 140° 120° 100° 80° 20° West 0° 0° 40° 60° 80° 80° 100° 120° 140° 160° Nördlicher Polarkreis Nördlicher Wendekreis Südlicher Wendekreis Äquator 180° 180° Achsenmächte und Verbündete (Kriegseintritt) 1939 1940 1941 seit 7.12.1941 größter Machtbereich der Achsenmächte 1942 Die Welt: Bündnisse im Zweiten Weltkrieg (1.9.1939–8.5.1945) MUSTER
A t Bueno Aires Geor Martin uerto Rico [US Parag Guade Suri nam Barba Bermuda Guyana Argentin Br aicos-In St. Vinc die Gre Trinida Antigua 1 1 Pazifischer Ozean Indischer O z e a n (Hitler-Stalin-Pakt, 1939–1941) BritischIndien Sudan Madagaskar Franz.- Indochina NiederländischIndi en elgischKongo olen Türkei Saudisch Arabien Iran Tibet China Sowjetunion Japan Mandschukuo Tannu Tuwa Südafrikanische Union Australien Abessinien Nagasaki Hiroshima Moskau Jalta Teheran Kairo 40° 60° 60° 66,5° 80° 180° 100° 120° 160° Ost 160° West 80° 140° 40° 20° Süd 23,5° 0° 20° Nord 23,5° 40° 60° 66,5° 160° Ost 160° West 180° 140° 120° 100° 80° 80° 60° 40° Äquator Alliierte Mächte und Verbündete (Kriegseintritt) 1939 1940 1941 ab 7.12.1941 Konferenzort der Alliierten MUSTER
Denkmal 7/8 herausgegeben von: Thomas Lang | Georg Marschnig MUSTER
2 Inhaltsverzeichnis 7.Klasse 5. Semester 1 Die Pariser Vorortverträge und ihre Folgen 1.1 November 1918: der Beginn des „kurzen“ 20. Jahrhunderts 12 1.2 Auf dem Weg zu neuer Ordnung: die Pariser Vorortverträge 14 1.3 Globale Konsequenzen: die Welt nach 1919 16 1.4 Italien: 1919–1939: Gewalt und Diktatur 18 1.5 Spanien zwischen Demokratie und Faschismus 20 1.6 Außereuropäische Perspektive: die „Roaring Twenties“ in den USA 22 1.7 Außereuropäische Perspektive: UdSSR 1917–1939 24 1.8 Außereuropäische Perspektive: China vor dem Aufstieg Maos 26 1.9 Außereuropäische Perspektive: Japans Weg in den Militarismus 28 1.10 „Roaring Twenties“ und „Great Depression“ 30 1.11 Ausweg aus der Krise: der „New Deal“ 32 1.12Österreichische Perspektive: 1918 – Neubeginn ohne Revolution 34 1.13Österreichische Perspektive: Österreich in den 1920er-Jahren 36 1.14Österreichische Perspektive: Austrofaschismus 38 1.15Geschichtskulturelle Produktion: die 1920er-Jahre 40 1.16Geschichtskulturelle Produktion: Benito Mussolini 42 1.17Denk politisch! Demokratische Mittel nutzen 44 1.18Denk global! Bezahlbare und saubere Energie 46 1.19Methodentraining: Gattungsspezifik von Quellen berücksichtigen 48 MUSTER
3 Inhaltsverzeichnis 2 Nationalsozialismus – Holocaust – Zweiter Weltkrieg 2.1 Anfänge und Aufstieg der NSDAP 52 2.2 Die nationalsozialistische „Machtergreifung“ 54 2.3 Die Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur 56 2.4 Inklusion und Exklusion – die „Volksgemeinschaft“ 58 2.5 „Volksgemeinschaft“ und Antisemitismus 60 2.6 „Gleichschaltung“ in Politik und Wirtschaft 62 2.7 „Gleichschaltung“ im gesellschaftlichen Bereich 64 2.8 Propaganda 66 2.9 Die Hitlerjugend: Ideologie und Funktion 68 2.10 Die Hitlerjugend: Organisation und Inhalt 70 2.11 Wirtschaft im nationalsozialistischen Deutschland 72 2.12 Widerstand: Definition und Bedeutung 74 2.13 Widerstand: Formen und Beispiele 76 2.14 Die Außenpolitik des NS-Regimes 78 2.15 Die Außenpolitik von Hitlers Verbündeten 80 2.16 Holocaust: Definition und Voraussetzungen 82 2.17 Holocaust: Kennzeichnung und Ghettoisierung 84 2.18 Wieder Krieg: das Deutsche Reich stürzt die Welt ins Chaos 86 2.19 Die vielen Schauplätze des Weltkriegs 88 2.20 Die Alliierten auf dem Vormarsch 90 2.21 Totaler Krieg – totale Niederlage 92 2.22 Holocaust: Verfolgung und Vernichtung 94 2.23 Holocaust: Nachwirkungen nach 1945 96 2.24 Der Zweite Weltkrieg im Pazifischen Raum – Japanische Aggression 98 2.25 Der Zweite Weltkrieg im Pazifischen Raum – Von Insel zu Insel 100 2.26Österreichische Perspektive: „Anschluss“ 102 2.27Österreichische Perspektive: Konzentrationslager Mauthausen 104 2.28Österreichische Perspektive: Zweiter Weltkrieg 106 2.29Geschichtskulturelle Produktion: Sophie Scholl 108 2.30Geschichtskulturelle Produktion: AnneFrank 110 2.31Denk politisch! Differenzierte politische Diskussionen führen 112 2.32Denk global! Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum 114 2.33Methodentraining: Eine selbstständige historische Darstellung erstellen 116 MUSTER
4 Inhaltsverzeichnis 7.Klasse 6. Semester 3 Die bipolare Welt nach 1945 3.1 Nachkriegszeit 120 3.2 Blockbildung in Europa 122 3.3 BRD/DDR 124 3.4 Blockfreie Staaten im Kalten Krieg 126 3.5 Berlinkrise – 1953 – Ungarn – Mauerbau 128 3.6 Sozial- und Wirtschaftsgeschichte BRD/DDR 130 3.7 Österreichische Perspektive: die unmittelbare Nachkriegszeit 132 3.8 Österreichische Perspektive: der Staatsvertrag von 1955 134 3.9 Österreichische Perspektive: die Entnazifizierung 136 3.10Außereuropäische Perspektive: Chinas Entwicklung nach 1945 138 3.11Außereuropäische Perspektive: die Teilung Koreas 140 3.12Außereuropäische Perspektive: die Gründung des Staates Israel 142 3.13Außereuropäische Perspektive: der Nahostkonflikt bis 1967 144 3.14Außereuropäische Perspektive: die Suezkrise 146 3.15Außereuropäische Perspektive: die Kubakrise 148 3.16Außereuropäische Perspektive: Indiens Unabhängigkeit 150 3.17Geschichtskulturelle Produktion: DDR 152 3.18Geschichtskulturelle Produktion: die Kubanische Revolution 154 3.19Denk politisch! Politische Diskussionen führen 156 3.20Denk global! Industrie, Innovation und Infrastruktur / weniger Ungleichheiten 158 3.21Denk global! Nachhaltige Städte und Gemeinden 160 3.22Methodentraining: Darstellungen der Vergangenheit kritisch dekonstruieren 162 MUSTER
5 Inhaltsverzeichnis 4 Transformationen nach 1968 4.1 Das „Goldene Zeitalter“ 166 4.2 Die Europäische Integration I 168 4.3 1968 – Unis, Hippies, Aufbruch 170 4.4 Die enttäuschte Revolution – der Prager Frühling 172 4.5 Außereuropäische Perspektive: der Indochinakonflikt 174 4.6 Außereuropäische Perspektive: der Vietnamkrieg 176 4.7 Außereuropäische Perspektive: Chinas Öffnung 178 4.8 Außereuropäische Perspektive: Politik und Wirtschaft in Afrika 180 4.9 Außereuropäische Perspektive: Kultur in Afrika 182 4.10Österreichische Perspektive: das Ende der Großen Koalition 184 4.11Österreichische Perspektive: Minderheitsregierung bis Kreisky 186 4.12Österreichische Perspektive: die Kreisky-Jahre 188 4.13 Die 1970er-Jahre: zwischen Krise und Aufbruch 190 4.14 Die neue Friedensbewegung in der BRD 192 4.15 Die Neuen Frauenbewegungen 194 4.16Außereuropäische Perspektive: 1979, Wendejahr im Nahen Osten 198 4.17 Die nukleare Katastrophe von Tschernobyl, 1986 196 4.18 Die Hochphase des Kalten Krieges in den 1980ern 200 4.19 Das Ende des Kalten Krieges 202 4.20Österreichische Perspektive: die Affäre Waldheim 204 4.21Österreichische Perspektive: zurück zur Großen Koalition 206 4.22Geschichtskulturelle Produktion: Vietnamkrieg im Film 208 4.23Geschichtskulturelle Produktion: Vietnamkrieg in der Musik 210 4.24Denk politisch! Politisch tätig werden 212 4.25Denk global! Nachhaltiger Konsum und Produktion / Maßnahmen zum Klimaschutz 214 4.26Methodentraining: Aufbau von Darstellungen der Vergangenheit analysieren 216 MUSTER
6 Inhaltsverzeichnis 8.Klasse 5 Die multipolare Welt nach 1989 5.1 Zwischen „Stagnation“ und Aufbruch im östlichen Europa 220 5.2 1989: die Krise 222 5.3 1989: der Mauerfall 224 5.4 Der Zerfall der Sowjetunion 226 5.5 Der demokratische Wandel im (süd-)östlichen Europa I 228 5.6 Der demokratische Wandel im (süd-)östlichen Europa II 230 5.7 Der institutionelle Zerfall Jugoslawiens 232 5.8 Die Kriege im ehemaligen Jugoslawien 234 5.9 Die Nachwirkungen des Zerfalls Jugoslawiens 236 5.10 Die Europäische Integration II 238 5.11 Österreich in der Europäischen Union 240 5.12 Die Relevanz der Europäischen Union 242 5.13 Die Schweiz im Herzen Europas: mittendrin und nicht dabei? 244 5.14Österreichische Perspektive: Rot-Schwarz führt in die EU 246 5.15Österreichische Perspektive: die erste ÖVP-FPÖ-Koalition 248 5.16Außereuropäische Perspektive: der Erste und Zweite Golfkrieg 250 5.17Außereuropäische Perspektive: der Kaschmir-Konflikt 252 5.18Außereuropäische Perspektive: der Nahostkonflikt 254 5.19Denk politisch! Konzepte des Politischen anwenden 256 5.20Denk politisch! Mediale Produkte der politischen Artikulation 258 5.21Geschichtskulturelle Produktion: das Jahr 1989 260 5.22Denk global! Leben unter Wasser / Leben am Land 262 5.23Methodentraining: Erstellen verschiedener Darstellungen erproben 264 MUSTER
7 Inhaltsverzeichnis 6 Weltpolitik heute und die Rolle der Medien 6.1 9/11 – Anschläge vor den Augen der Weltöffentlichkeit 268 6.2 Außereuropäische Perspektive: globaler Terrorismus I 270 6.3 Außereuropäische Perspektive: globaler Terrorismus II 272 6.4 Außereuropäische Perspektive: der Afghanistankrieg 274 6.5 Außereuropäische Perspektive: der Irakkrieg 276 6.6 Außereuropäische Perspektive: der Nahostkonflikt heute 278 6.7 Globalisierung: Begriff, Auswirkungen, Kritik 280 6.8 Die globale Finanzkrise von 2008 282 6.9 Außereuropäische Perspektive: der Arabische Frühling 284 6.10Außereuropäische Perspektive: Syrien – ein Jahrzehnt Bürgerkrieg 286 6.11 Der „Brexit“ und die Zukunft der Europäischen Union 288 6.12Außereuropäische Perspektive: Migration und Flucht seit 2010 290 6.13Außereuropäische Perspektive: China unter Xi Jinping 292 6.14 Der Nordirlandkonflikt 294 6.15Österreichische Perspektive: Reformstau und Populismus 296 6.16Österreichische Perspektive: die Ära Sebastian Kurz 298 6.17Denk politisch! Grundprinzipien der Forschung 300 6.18Denk politisch! Politische Urteile 302 6.19Denk global! Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen 304 6.20Denk global! Partnerschaften zur Erreichung der Ziele 306 6.21Methodentraining: Darstellungen mit Erkenntnissen der Wissenschaft vergleichen 308 MUSTER
8 Wie ich mit dem Buch arbeite 1. Jedes Kapitel beginnt mit einer Einstiegsseite, wo Sie eine Abbildung eines Denkmals, einige Einstiegsübungen zum Kapitelstoff sowie eine Zeitleiste mit Jahreszahlen des Zeitabschnittes finden. Ganz am Anfang und am Ende des Buches finden Sie übrigens außerdem zwei Weltkarten, die Ihnen die Orientierung erleichtern sollen. 2. Die Doppelseiten in den Kapiteln behandeln jeweils einen Aspekt des Kapitelthemas. Auf der linken Seite erhalten Sie einen Input, rechts finden Sie Arbeitsaufträge, die das Thema der Doppelseite vertiefen und mit Materialien (M) verknüpfen. Die Materialien bestehen sowohl aus Zeugnissen aus der Vergangenheit (Quellen) als auch späteren Erzählungen davon (Darstellungen). Die Punkte neben den Aufträgen zeigen an, wie sie gelöst werden sollen: entweder in Einzelarbeit (ein Punkt), in Partnerarbeit (zwei Punkte) oder im Team (drei Punkte). 3. Um Sie optimal auf die Matura vorzubereiten, sind die Arbeitsaufträge an die Struktur der Reifeprüfung angelegt und arbeiten auch mit Operatoren. Eine genau Beschreibung der Operatoren finden Sie am Ende des Buches. Wie bestimmte Arbeitsschritte genau funktionieren, erfahren Sie auf den Methodenseiten, die sich jeweils am Ende eines Kapitels befinden. 4. Politische Bildung ist ein wichtiger Bestandteil Ihres Unterrichts – und auch Ihres Schulbuchs. Auf speziellen „Denk politisch!“-Seiten werden Ihre politischen Kompetenzen geschult. Im Oberstufenbuch Denkmal 7/8 finden Sie den Lehrstoff der 7. und 8. Klasse für Geschichte und Politische Bildung in sechs Kapitel eingeteilt. Diese behandeln ausgewählte Themen der Weltgeschichte ab dem Ende des Ersten Weltkriegs bis heute. MUSTER
9 Wie ich mit dem Buch arbeite 5. Die „Denk global!“-Seiten sollen Ihren Horizont auch für Themen und Fragestellungen der Global Citizenship Education öffnen. Auf diesen Seiten werden – ausgehend von den „Sustainable Development Goals“ (SDG) – aktuelle Themen aus einer globalen Perspektive betrachtet. 6. Bei den „Außereuropäischen Perspektiven“ stehen insbesondere globale Themen im Fokus. Hier finden Sie Themenschwerpunkte zur afrikanischen, asiatischen, australischen sowie amerikanischen Geschichte. 7. Die „Österreichischen Perspektiven“ konzentrieren sich auf die Entwicklungen, die während des vom Kapitel behandelten Zeitabschnittes im österreichischen Raum vonstattengegangen sind. 8. „So viel Geschichte wie heute war noch nie“, lautet ein bekannter Ausspruch des deutschen Geschichtsdidaktikers Klaus Bergmann. Um Ihnen zu zeigen, wie viel Geschichte in Ihrem Alltag zu finden ist, gibt es die „Geschichtskulturellen Perspektiven“. Auf diesen Seiten setzen Sie sich mit der Geschichte in der Gegenwart auseinander. MUSTER
1 Bildquelle: Im Zentrum von Frohnleiten, am Römerplatz, steht ein Denkmal zu Ehren der gefallenen Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkriegs; der Ausschnitt unten zeigt die Inschrift auf einer Gedenktafel dieses Denkmals; Fotos 2023. Die Pariser Vorortverträge und ihre Folgen 1915 1925 11.11.1918Waffenstillstand von Compiègne 1912Ende des Kaiserreichs China 1917Oktoberrevolution 1919Allgemeines Wahlrecht in Österreich 1920 MUSTER
Einstieg Versailles Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs endete nicht nur das „lange 19. Jahrhundert“, sondern auch die führende Rolle Europas in der Weltpolitik und der Weltwirtschaft. Die Monarchien Deutschlands, Russlands und Österreich-Ungarns sowie des Osmanischen Reichs endeten, ihre Staaten zerfielen oder wurden erheblich verkleinert. Als Großmächte wurden sie von den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion abgelöst. In Österreich wurde an die jüngste Vergangenheit mit zahlreichen Kriegerdenkmälern erinnert. „TapfereSoldaten,dieinTreueundPflichterfüllung ihr Leben ließen […]“, so der Zeithistoriker Werner Suppanz 2014, dominieren diese Erinnerungszeichen. Trauer und Verlust, aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit sucht man in der Erinnerungskultur vergeblich. Die Gefallenen wurden als „Krieger“ überhöht, ihrem sinnlosen Sterben im Nachhinein Sinn verliehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden meist noch die für Hitlerdeutschland Gefallenen hinzugefügt, was die Denkmäler heute zu besonders problematischen Orten des Erinnerns macht. Beschreiben Sie das „Denkmal zu Ehren der gefallenen Soldaten der Weltkriege“ im steirischen Frohnleiten. Es wurde 1923 errichtet und 1953 erweitert. Analysieren Sie Wirkung und Funktion der Gedenkstätte. Beachten Sie dabei auch die gewählte Symbolik und denken Sie daran, welche Aspekte der Erinnerung womöglich vernachlässigt wurden. Diskutieren Sie, was uns die Erinnerungskultur an den Ersten Weltkrieg über den gesellschaftlichen Umgang mit der Kriegsniederlage aus heutiger Sicht verrät. Beurteilen Sie das gemeinsame Erinnern an die Gefallenen beider Weltkriege am selben Ort. Was macht diese Denkmäler zu schwierigen Erinnerungsorten? 1930 1935 14.07.1927 Justizpalastbrand in Wien 30.01.1933Adolf Hitler wird Reichskanzler 1936 „Juli-Abkommen“ 1936–1939 Spanischer Bürgerkrieg 12.03.1938 „Anschluss“ Österreichs 1940 MUSTER
12 November 1918: der Beginn des „kurzen“ 20. Jahrhunderts 1.1 Das Ende des Ersten Weltkriegs änderte die politische Weltordnung. Die USA nahmen die Führungsposition ein, welche sie bis heute beanspruchen. Europas politische Bedeutung nahm ab, eine neue Zeit brach an: das „kurze“ 20. Jahrhundert. „Wir bitten um Waffenstillstand“ In einer letzten Großoffensive im Frühsommer 1918 hatte die militärische Führung des Deutschen Reiches versucht, den Krieg für sich zu entscheiden. Nach dem Frieden von Brest-Litowsk, der Sowjetrussland nur unter harten Bedingungen gewährt worden war, hatte sich das Deutsche Reich irrtümlicherweise dem Sieg nahe gesehen und die Veränderung, die durch den Kriegseintritt der USA im Frühling 1917 eingetreten war, unterschätzt. Dieser war neben der katastrophalen Versorgungssituation der Hauptgrund für die Niederlage im Herbst 1918. Am 11. November 1918 unterzeichnete der Reichstagsabgeordnete Matthias Erzberger, der Leiter der deutschen Abordnung, nach wochenlangen Verhandlungen den Waffenstillstand im Wald von Compiègne. Damit hatte das Deutsche Reich faktisch kapituliert. Die deutschen Militärs – allen voran die Generäle Erich von Ludendorff und Paul von Hindenburg – übernahmen die Verantwortung für die Niederlage nicht und überließen die Verhandlungen über den Waffenstillstand einer zivilen Kommission aus Politikern. Damit wurde der Nährboden für die „Dolchstoßlegende“ gelegt, die der (demokratischen) Politik die alleinige Verantwortung für die deutsche Niederlage zuschrieb: Diese habe die „im Felde ungeschlagenen“ Soldaten von hinten erdolcht und mit der Entente Frieden geschlossen. Kaiser stürzen, Imperien zerfallen Der deutsche Kaiser Willhelm II. hatte bereits abgedankt, wie auch Kaiser Karl I., der letzte habsburgische Kaiser von Österreich. In Berlin wurde die Republik ausgerufen und die Habsburgermonarchie zerfiel in mehrere kleine Staaten, die sich zunächst demokratische Verfassungen gaben. Auch das Osmanische Reich zerbrach 1918, und der letzte Sultan wurde 1922 abgesetzt (so wie der russische Zar bereits 1917). Damit waren vier Imperien im Zuge des Ersten Weltkriegs, den vor allem das Deutsche Reich und das Habsburgerreich zu verantworten hatten, verschwunden. Die politischen Landkarten Europas und der Welt veränderten sich dadurch maßgeblich. Vor allem die USA hatten ihre wirtschaftliche Stärke in eine weltpolitische Dominanz gewandelt. Ein zwanzigjähriger Waffenstillstand? Im Jänner 1919 begannen die Friedenskonferenzen unter Federführung der alliierten Hauptmächte in Paris. Der USPräsident Woodrow Wilson ließ keinen Zweifel daran, dass sich die amerikanische Dominanz auch in den Ergebnissen der Friedenskonferenz widerspiegeln sollte. Dafür hatte er ein vierzehn Punkte umfassendes Programm formuliert, das er als Grundlage der Verhandlungen verstand. Seine europäischen Partner verfolgten allerdings andere Ziele. Vor allem Frankreich, das nach 1870 bereits zum zweiten Mal vom Deutschen Reich angegriffen worden war, verlangte eine deutliche und nachhaltige Schwächung seines Hauptgegners. Dieses Ziel wurde im Friedensvertrag von Versailles (s. 1.2) schließlich auch erreicht: das Deutsche Reich wurde so sehr geschwächt, dass Marschall Foch, der Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Entente, über den Vertrag urteilte: „Das ist kein Frieden. Es ist ein Waffenstillstand auf 20 Jahre.“ Damit brachte er seine Befürchtung zum Ausdruck, dass die harten Friedensbedingungen in einen neuen Krieg führen würden. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 Frieden von BrestLitowsk, der: Friedensvertrag zwischen den Mittelmächten und Sowjetrussland; Russland schied damit aus den Kampfhandlungen des Ersten Weltkrieges aus. M 1: Paul von Hindenburg, 1847–1934, Generalfeldmarschall; mit Erich von Ludendorff von 1916– 1918 Chef der Obersten Heeresleitung des Deutschen Reiches, ab 1925 Reichspräsident; ernannte am 30.1.1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler M 2: Woodrow Wilson, 1856–1924, 28. USPräsident 1913–1921. MUSTER
13 M3: Eine Darstellung der Dolchstoßlegende auf dem Cover einer deutschen Zeitschrift. Süddeutsche Monatshefte, 1924. Aufgaben 1. Interpretieren Sie die Abbildung M 3 mithilfe des Darstellungstextes links. 2. Arbeiten Sie durch den Vergleich von M 4 und M 5 die geopolitischen Veränderungen heraus, die durch den Ersten Weltkrieg hervorgerufen wurden. 3. Nennen Sie möglichst viele Belege für Hobsbawms (M 6) Aussage, das 20. Jahrhundert sei vom Krieg gekennzeichnet gewesen. 4. Formulieren Sie basierend auf der Einschätzung Marschall Fochs eine Erklärung für Hobsbawms Formulierung zur „Geschichte des einunddreißigjährigen Weltkriegs“ (M 6). 5. Nehmen Sie mithilfe des Darstellungstextes, der Karten und Hobsbawms Text zur Bedeutung des Ersten Weltkriegs Stellung. L. Färöer Polen Estland Kurland Livland Tunesien Algerien Malta Böhmen Galizien Kroatien Bosnien Tirol Luxemburg Siebenbürgen Krain Spanien Frankreich Schweiz Deutsches Reich Dänemark Schweden Norwegen Russisches Reich Osmanisches Reich Monaco Andorra Italien Serbien Montenegro Bulgarien Rumänien Österreich-Ungarn Belgien Niederlande Vereingtes Königreich Großbritannien und Irland San Marino Albanien Griechenland Staatsgrenze Teilreichgrenze km 0 500 1000 42913EX © Westermann Memelland Malta Albanien Saar Färöer 1917 1917/19 1918 1918 1918 1918 1918 1919 1918 Schweden Norwegen Finnland Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik Weißrussische SSR Polen Rumänien Bulgarien Griechenland Tschechoslowakei Ungarn Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen Estland Lettland Litauen Danzig Deutsches Reich Österreich Italien San Marino Schweiz Monaco Frankreich Dänemark Luxemburg Belgien Niederlande Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Irland Spanien Andorra Osmanisches Reich L. 1918 Jahr der Unabhängigkeit Staatsgrenze innerstaatliche Grenze (z. T. vorübergehend Staatsgrenze) M 4: Europa vor 1914. M 5: Europa nach 1920. M 6: Für den Historiker Eric Hobsbawm beginnt das 20. Jahrhundert erst mit dem Ersten Weltkrieg: Die Menschheit hat überlebt. Doch das großartige Bauwerk der Zivilisation des 19. Jahrhunderts brach in den Flammen des Weltkriegs zusammen, als seine Säulen einstürzten. Das kurze 20. Jahrhundert wäre ohne diese Geschichte nicht zu verstehen. Es war von Krieg gekennzeichnet. Es hat in den Vorstellungen eines Weltkriegs gelebt und gedacht, selbst als die Kanonen schwiegen und keine Bomben mehr explodierten. Seine Geschichte, genauer gesagt die Geschichte des Zeitalters seit dem Beginn seines Zusammenbruchs und der Katastrophe, muss mit der Geschichte des einunddreißigjährigen Weltkriegs beginnen. Hobsbawm, Eric: Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts. 2019. S. 38. D Die Pariser Vorortverträge und ihre Folgen MUSTER
14 Auf dem Weg zu neuer Ordnung: die Pariser Vorortverträge 1.2 Die Friedensverträge nach dem Ersten Weltkrieg sollten eine neue Ordnung bringen und dauerhaften Frieden sichern. Dabei waren sehr viele unterschiedliche und gegenläufige Interessen zu berücksichtigen. Am Ende gab es viele Unzufriedene und neue, ungelöste Konflikte. Besonders auf Seiten der Mittelmächte dominierte die Enttäuschung. Versailles: Eine „Schmach“ für Deutschland Der Begriff „Friedensverhandlungen“ trifft für die Pariser Beschlüsse nur eingeschränkt zu, denn verhandelt wurde nur unter den Siegern des Krieges und nicht zwischen Siegern und Besiegten. Die Vertreter der unterlegenen Staaten durften nur schriftlich zum Vertragsentwurf Stellung nehmen, was aber nur zu geringfügigen Änderungen führte. Die Siegermächte schrieben die alleinige Schuld am Krieg und seinen Folgen dem Deutschen Reich zu. Damit wurden die harten Friedensbedingungen von Versailles gerechtfertigt, die das Deutsche Reich auf verschiedenen Ebenen trafen. Neben hohen Reparationszahlungen und umfangreichen Gebietsabtretungen (u. a. Elsass-Lothringen an Frankreich, Westpreußen an Polen sowie Abtretung aller Kolonien) sollte das Deutsche Reich vor allem kriegsunfähig gemacht werden: Die allgemeine Wehrpflicht wurde verboten und die Reichswehr auf 100 000 Mann beschränkt, Luftstreitkräfte sowie schweres Kriegsgerät wurden gänzlich untersagt. Außerdem wurden durch die Besetzung des Rheinlandes und die Nutzung der Kohlevorkommen im Saarland große Teile der deutschen Schwerindustrie vom Völkerbund (s. 1.3) kontrolliert. Saint-Germain: Verluste für Österreich Auch der Republik Deutschösterreich, die als Rechtsnachfolgerin des Kaiserreichs den Friedensvertrag von Saint-Germainen-Laye (Ort in der Nähe von Versailles) erhielt, wurde als Verbündete des Deutschen Reiches die Hauptschuld am Krieg angelastet. Sie musste ebenfalls Gebiete abgeben (z. B. Südtirol an Italien und die Untersteiermark an den neu gegründeten SHS-Staat). Über das Ausmaß der Gebietsabtretungen tätigte der französische Ministerpräsident Georges Clemenceau den berühmten Ausspruch: „Österreich, das ist der Rest.“ Außerdem wurden der Anschluss an das Deutsche Reich verboten und ebenfalls Reparationszahlungen festgelegt. Sämtliche Rüstungsfabriken mussten zerstört und das Heer auf 30 000 Mann begrenzt werden. Auch in Österreich wurde die allgemeine Wehrpflicht vertraglich unterbunden. Allerdings konnte die österreichische Delegation auch erreichen, dass in Südkärnten eine Volksabstimmung über die staatliche Zugehörigkeit durchgeführt wurde. Zudem wurde Westungarn Österreich zugesprochen. Das Gebiet wurde nun Burgenland genannt. Reaktionen der Verlierer Die Verträge wurden in Österreich und dem Deutschen Reich als Erniedrigung wahrgenommen. Da beide Länder nicht aktiv an den Verhandlungen hatten teilnehmen dürfen, sprach die Presse bald vom „Friedensdiktat“ oder der „Schmach von Versailles“. Da die neu eingesetzten demokratischen Regierungen beider Länder aber zur Unterzeichnung und die Parlamente zu Ratifizierung gezwungen waren, konnten rechtsgerichtete, militaristische Politiker die „Dolchstoßlegende“ (s. 1.1) dazu verwenden, die Demokratie abzuwerten und ihre Vertreter als „Volksverräter“ darzustellen. Das spielte der nationalsozialistischen Bewegung in die Hände, die den Unmut in der Bevölkerung nutzte, um selbst an die Macht zu kommen. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 SHS-Staat, der: Staat der Slowenen, Kroaten und Serben, der 1918 auf dem Gebiet des ehemaligen österreichischungarischen Monarchie errichtet wurde. MUSTER
15 Aufgaben 1. Formulieren Sie jeweils drei Fragen zu den beiden Bildquellen M 1 und M 2. 2. Beschreiben Sie arbeitsteilig die beiden Karikaturen (M 1 und M 2) und verfassen Sie eine Interpretation der beiden Abbildungen. 3. Stellen Sie die beiden Karikaturen gegenüber und analysieren Sie sie hinsichtlich der Perspektive der Zeichner. Welche Positionen nehmen Sie bezüglich des Versailler Vertrages ein? 4. Erörtern Sie die Auswirkungen der in M 3 geschilderten Stimmungslage auf die französischen Verhandler in Paris. M 1: Karikatur „Versailles“ in der Wiener Zeitschrift „Simplicissimus“ vom 3. Juni 1919. Die Bildunterschrift lautet: „Versailles. Auch Sie haben noch ein Selbstbestimmungsrecht: wünschen Sie, dass Ihnen die Taschen vor oder nach dem Tode ausgeleert werden?“; Jg. 24, Heft 10. M 2: Karikatur aus der Pariser Tageszeitung „Le Petit Journal“ vom 13. Juli 1919. Die Bildunterschrift „A ton tour Germania!“ meint übersetzt „Jetzt bist du dran, Deutschland“. M 3: Der Historiker Robert A. C. Parker beschreibt die Haltung der französischen Öffentlichkeit nach dem Ersten Weltkrieg: Die meisten Franzosen glaubten 1919, dass der Versuch einer deutsch-französischen Versöhnung ein aussichtsloses Unterfangen sei, das in das Reich der Hirngespinste gehöre. Ihre Einstellung enthielt die wahre Überlegung, dass man sich keine Friedensregelung vorstellen könne, die gleichzeitig die Billigung der öffentlichen Meinung Englands und Amerikas – ganz zu schweigen von Frankreich und Polen – und die Zustimmung der deutschen Bevölkerung finden würde. Parker, R. A. C.: Das Zwanzigste Jahrhundert I. Europa 1918–1945. Fischer Weltgeschichte – Vom Imperialismus zum Kalten Krieg. Bd. 2, S. 11. D Die Pariser Vorortverträge und ihre Folgen MUSTER
16 Globale Konsequenzen: die Welt nach 1919 1.3 M 1: Ho Chi Minh (1890–1969), vietnamesischer Revolutionär und kommunistischer Politiker, hier auf einer vietnamesischen 500-Dong-Banknote, 1988. Das von Woodrow Wilson vorgebrachte „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ unterstützte die Vertreter vieler unterdrückter Völker, ihre politische Eigenständigkeit in Paris einzufordern, womit sie aber zumeist scheiterten. Auch der „Völkerbund“, das Herzstück von Wilsons Friedensprojekt, wurde seinen Erwartungen nicht gerecht. Delegationen aus aller Welt Ein bekanntes Beispiel für die enttäuschten Hoffnungen von Paris ist der Vietnamese Nguyên Tât Thành, der sich in Paris für mehr Autonomie seines Volkes einsetzte. Nachdem seine Anliegen kein Gehör gefunden hatten, wandte er sich dem Kommunismus zu und führte Vietnam 1945 unter seinem Kampfnamen Ho Chi Minh in die Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Frankreich. Auch eine arabische Delegation setzte sich in Paris für die nationale Selbstbestimmung ein. Der großarabische Nationalstaat, der den Araberinnen und Arabern während des Krieges von Großbritannien für die Unterstützung gegen das Osmanische Reich zugesagt worden war, wurde allerdings nicht Realität. Der „Völkerbund“ Als Herzstück der beabsichtigten Friedensordnung sah Woodrow Wilson eine internationale Organisation vor, die in zukünftigen Konflikten vermitteln und so den Frieden garantieren sollte. Der „Völkerbund“, der seinen Sitz in Genf hatte und 1920 seine Arbeit aufnahm, konnte diese Rolle allerdings nie wirklich erfüllen. Zwar begrüßten vor allem die kleineren Staaten (M 3) Wilsons Vision von einem „internationalen Schiedsrichter“. Aber trotzdem wollten viele Regierungen seine Autorität nicht anerkennen. Außerdem gelang es Wilson nicht, die USA in den Völkerbund zu führen, der US-Kongress lehnte einen Beitritt ab. Auch durften die Sowjetunion (Beitritt 1934, 1939 aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen Finnland ausgeschlossen) und das Deutsche Reich (1926 bei-, 1933 ausgetreten) zunächst nicht beitreten, was die Möglichkeiten der Organisation zusätzlich einschränkte. 5 10 15 ~ ~ 20 25 30 35 Koloniale Neuordnung Allerdings wurde der Völkerbund benutzt, um die Zukunft der ehemaligen Kolonien des Deutschen Reichs zu regeln. Diese wurden als Mandatsgebiete des Völkerbundes unter den Großmächten aufgeteilt: Großbritannien erhielt zum Beispiel Deutsch-Ostafrika (heute: Tansania, Burundi und Ruanda), Frankreich große Teile des heutigen Kamerun. Ähnlich wurde auch mit den ehemaligen Gebieten des zerbrochenen Osmanischen Reichs im Nahen Osten verfahren. Diese hatten Großbritannien und Frankreich bereits 1916 im Sykes-Picot-Abkommen aufgeteilt. Nun erhielten sie die Gebiete als Völkerbund-Mandate. Im südlichen Teil des Irak, der zum britischen Einflussbereich zählte, wurde Prinz Faisal, der Kopf der arabischen Delegation in Paris, 1921 als König eingesetzt. Seine Familie, die bei der irakischen Bevölkerung großteils abgelehnt wurde, hielt sich dennoch bis zum Militärputsch 1958 auf dem irakischen Thron. Der „Nahostkonflikt“ beginnt Großbritannien war auch für Palästina verantwortlich und sicherte jüdischen Interessengruppen das Gebiet für einen zukünftigen jüdischen Staat zu. Die BalfourDeklaration war ein wichtiger Schritt zur Staatswerdung Israels, ist aber gleichzeitig auch ein Hauptgrund für den seither bestehenden Nahostkonflikt (s. 3.13), da die Briten das Gebiet während des Ersten Weltkriegs auch arabischen Machthabern zugesichert hatten. 40 45 50 55 60 65 70 Mandatsgebiet, das: Bezeichnet im Völkerrecht den Auftrag an einen Staat, die Interessen eines gewissen Gebietes zu vertreten. Sykes-Picot- Abkommen, das: Eine 1916 getroffene Vereinbarung zwischen Frankreich und Großbritannien über die kolonialen Int eressengebiete im Nahen Osten. Großbritannien bekam ein Gebiet zuerkannt, das etwa das heutige Jordanien, den Irak und Gebiete um Haifa umfasste. Frankreich sollte die Herrschaft über die südöstliche Türkei, den Nordirak, Syrien und den Libanon übernehmen. MUSTER
17 M 2: Werbeposter für den Film „Lawrence von Arabien“ aus dem Jahr 1962. © 1962, renewed 1990, © 1988 Columbia Pictures Industries, Inc. All Rights Reserved. M 3: Karikatur aus dem „Punch“-Magazin vom 25. März 1919 mit dem Titel „Übergewichtig“. Der Text zu der Karikatur lautete übersetzt: „Wilson sagt: ,Hier, ein Olivenzweig – jetzt an die Arbeit!‘ Die Friedenstaube antwortet: ,Natürlich möchte ich jedem entgegenkommen – aber ist der Zweig nicht ein bisschen schwer?‘“ Aufgaben 1. Schildern Sie, basierend auf einer Internetrecherche, die Rolle des Lawrence von Arabien im Kampf um einen arabischen Staat. Beziehen Sie das Filmplakat (M 2) in Ihre Erzählung mit ein. 2. Interpretieren Sie die Karikatur aus dem „Punch“ (M 3). Machen Sie dabei deutlich, welche Perspektive der Autor hinsichtlich Wilsons Idee des Völkerbundes einnimmt. 3. Beurteilen Sie die Stellungnahme des Schweizer Bundespräsidenten (M 4). Warum erscheint es gerade aus der Sicht der „kleinen Schweiz“ sinnvoll, dass es den Völkerbund gibt? M 4: Im Juni 1918 äußerte sich der Schweizer Bundespräsident Felix Calonder über den Völkerbund: Kein Volk kann lebendigeren Anteil an der Neugestaltung der Staatengemeinschaft nehmen als die kleine Schweiz. […] Auf die Dauer kann unbegrenzte Eigenmacht und völlige internationale Ungebundenheit keinem Volk wirkliche Vorteile bieten. Ein solches politisches System muss, wie alle ungebundene Macht, schließlich auf Staaten und Menschen zerstörend wirken. Für einen kleinen Staat aber wie die Schweiz ist die rechtliche Ordnung ein Lebenselement, die Machtpolitik eine unverkennbare ständige Gefahr. Parker, R. A. C.: Das Zwanzigste Jahrhundert I. Europa 1918–1945. Fischer Weltgeschichte – Vom Imperialismus zum Kalten Krieg. Bd. 2, S. 18. Q Die Pariser Vorortverträge und ihre Folgen MUSTER
18 Italien 1919–1939: Gewalt und Diktatur 1.4 Italien gehörte nach dem Ersten Weltkrieg zu den Siegern, stürzte aber dennoch in eine tiefe Krise, die Benito Mussolini politisch nutzen konnte: In nur sechs Jahren machte er aus dem Staat eine totalitäre Diktatur, die Italien bis 1943 beherrschen sollte. Der Weg dorthin war allerdings weder zwingend noch alternativlos. Faschismus: Eine Folge der Krise Italien befand sich nach dem Ersten Weltkrieg in einer Krise. Viele fühlten sich von der Entente um zugesicherte Gebietsgewinne betrogen. Außerdem schwächelte die Wirtschaft. Abertausende Kriegsheimkehrer blieben ohne Arbeit. Versprechungen, ihnen Land und Arbeit zu geben, blieben unerfüllt. 1919 kam es zu Streiks und Landbesetzungen. National-konservative und katholische Eliten sowie Unternehmer und Landbesitzer fürchteten eine sozialistische Revolution wie 1917 in Russland. Mussolini nutzte diese Furcht: Er gründete 1919 die „Faschistischen Kampfbünde“. Diese gingen mit Gewalt gegen die Streiks vor. Mit Gewalt an die Macht Aus Mussolinis politischer Splittergruppe, die bei der Wahl 1919 ohne Mandat geblieben war, entstand in zwei Jahren eine Bewegung mit 250 000 Mitgliedern. 1922 konnten die Faschisten einen Großstreik der Sozialisten brechen. Mussolini nutzte diesen Erfolg, um König Viktor Emanuel III. mit einem Putsch zu drohen, wenn dieser ihm nicht die Macht übergäbe. Viktor Emanuel gab nach, um einen Bürgerkrieg zu verhindern, und Mussolini wurde Regierungschef einer Koalition aus Faschisten, Nationalkonservativen und Katholiken. Das Ziel seiner Koalitionspartner, den Faschismus durch politische Beteiligung zu zähmen, wurde verfehlt: Mussolini entmachtete das Parlament und rief Neuwahlen aus. Davor hatte er, mithilfe seiner durch Gewalt eingeschüchterten Koalitionspartner, das Wahlrecht geändert. Der Wahlsieger sollte, wenn er mehr als 25 Prozent gewann, zwei Drittel der Mandate erhalten. Die Wahl 1924 brachte das gewünschte Ergebnis: Die Faschisten eroberten 404 Sitze, die Opposition 106. Mord und Staatsstreich Als der sozialistische Abgeordnete Giacomo Matteotti den Faschisten Wahlmanipulation vorwarf, ermordeten ihn diese. Die öffentliche Empörung war groß; da Opposition und König aber untätig blieben, überstand Mussolini die Krise und ging zum Angriff über: Er übernahm die politische Verantwortung für den Mord und erklärte sich gleichzeitig zum Diktator: Er verbot andere Parteien, die antifaschistische Presse, ließ Gegnerinnen und Gegner inhaftieren und hebelte Bürgerrechte wie die Meinungsfreiheit und das Streikrecht aus. 1926/1927 schuf er einen politischen Sondergerichtshof und eine Geheimpolizei. Die Todesstrafe für „politische Verbrechen“ wurde eingeführt. Regimegegnerinnen und -gegner, die nicht fliehen konnten, wurden in Lagern interniert. Schließlich ließen sich die Faschisten den Umbau Italiens zu einem totalitären, faschistischen Einheitsstaat in einer Scheinwahl 1929 legitimieren. M 1: Italienische Postkarte, die dem Bolschewismus den Faschismus gegenüberstellt. Postkarte, um 1930. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 M 2: Mit Fotografien wie dieser, die ihn bei alltäglichen Arbeiten wie der Weizenernte zeigen, arbeitete Benito Mussolini systematisch an seinem Image als vitaler Alleskönner und Übermensch. Foto, 1933. MUSTER
19 Die Pariser Vorortverträge und ihre Folgen Aufgaben 1. Ermitteln Sie die Intention, mit der auf der Postkarte (M 1) Kommunismus und Faschismus gegenübergestellt werden. 2. Analysieren Sie die Gewaltbereitschaft der faschistischen Politik anhand der beiden Textquellen (M 3, M 4). 3. Arbeiten Sie aus den Textquellen (M 3, M 4) die verschiedenen Perspektiven auf den Faschismus heraus. 4. Weisen Sie in der Postkarte (M 1) und dem Mussolini-Zitat (M 3) die unterschiedlichen Propagandastrategien der Faschisten heraus. 5. Beurteilen Sie anhand des Darstellungstextes links und der Textquellen die Verantwortung der übrigen Parteien für den Aufstieg des Faschismus. M 3: Benito Mussolini in seiner Parlamentsrede vom 19. Juli 1922: Ob er [der Faschismus] eine legale Partei, also eine Regierungspartei sein will oder lieber eine Aufstandspartei […]: In jedem Fall wird sich keine Regierung in Italien halten können, wenn sie ihre Maschinengewehre auf den Faschismus richtet […]. Sollte aus dieser Krsie zufällig eine vehement antifaschistische Regierung hervorgehen […], werden wir uns dagegen erheben. […] [I]ch wünsche mir, dass es dem Faschismus durch einen legalen Aufstieg gelingen möge, am Staatsleben teilzuhaben. Doch muss ich aus Gewissenspflicht auch auf diese andere Möglichkeit hinweisen, damit sich in der drohenden Krise jeder von euch […] an meine Worte erinnern möge, die ich eurer Betrachung und eurem Gewissen überlasse. Ich bin fertig. Zit. nach: Scurati, Antonio M.: Der Sohn des Jahrhunderts. Stuttgart: Klett-Cotta 2020, S. 486. Q M 4: Der sozialistische Abgeordnete Giacomo Matteotti schrieb an Filippo Turati, den Gründer der Sozialistischen Partei, am Abend vor der Wahl im Jahr 1924: Vor allem ist es notwendig, gegenüber der faschistischen Diktatur eine andere Haltung als bisher einzunehmen: Unser Widerstand gegen die Willkürherrschaft muss kraftvoller werden; in keinem Punkt darf nachgegeben werden; keine Position darf ohne den entschiedensten und vehementesten Protest aufgegeben werden. Sämtliche Bürgerrechte müssen geltend gemacht werden; das Gesetz selbst berechtigt zum Handeln in Notwehr. Niemand kann sich vormachen, der herrschende Faschismus würde die Waffen niederlegen und Italien aus freien Stücken eine legale und freie Regierung zurückgeben; jeder Erfolg treibt ihn nur zu weiterer Willkür und weiterem Missbrauch. Das ist sein Wesenskern, sein Ursprung, seine einzige Kraft; dies ist das Temperament, das ihn lenkt. Zit. nach: Scurati, Antonio M.: Der Sohn des Jahrhunderts. Stuttgart: Klett-Cotta 2020, S. 719. Q MUSTER
20 Spanien zwischen Demokratie und Faschismus 1.5 Spanien war im Ersten Weltkrieg neutral geblieben. In den 1930er-Jahren schlitterte es aber in einen blutigen Bürgerkrieg, in dem sich wegen der internationalen Unterstützung der Konfliktparteien der Zweite Weltkrieg bereits abzeichnete. Eine instabile Republik Nachdem Spanien von 1923 bis 1930 bereits eine erste autoritäre Phase unter General Miguel Primo de Rivera durchlaufen hatte, wurde im Anschluss an landesweite Gemeindewahlen im April 1931 eine demokratische Republik ausgerufen. Die von der sozialistischen Arbeiterpartei gebildete Regierung führte das Frauenwahlrecht sowie die Zivilehe (als zusätzliche Möglichkeit neben der kirchlichen) ein. Die wirtschaftlichen Probleme und sozialen Spannungen des Landes konnte aber auch diese Regierung nicht lösen. Bereits 1933 wurde sie von einer konservativ-liberalen Regierung abgelöst, die jedoch mit ständigen Aufständen linker Gruppen zu kämpfen hatte. Diese wurden von der Armee unter General Francisco Franco blutig niedergeschlagen. Militärputsch gegen die Demokratie 1936 kam es nach dem Wahlsieg der republikanischen „Volksfront“ am 17./18. Juli 1936 zu einem Putsch von rechtsgerichteten Generälen um Franco gegen die demokratisch gewählte Regierung. Dieser richtete sich vor allem gegen die Reformgesetze der Regierung, die eine umfassende Enteignung der Großgrundbesitzer vorsahen. Damit eskalierte der Kampf der beiden politischen Lager endgültig. Die putschenden Generäle stützten sich vor allem auf die spanischen Kolonialtruppen aus Marokko und die Milizen einer rechten Koalition aus konservativen, katholischen und faschistischen Gruppierungen (z. B. der Falange). Für die Regierung kämpften neben einigen verbliebenen Truppenteilen hauptsächlich die paramilitärischen Verbände der linken Parteien. Allerdings konnten die Regierungstruppen die wichtigsten Industriestädte Madrid und Barcelona halten, wodurch zunächst eine Pattsituation entstand. Der Bürgerkrieg wird zum Stellvertreterkrieg Eine besondere Rolle spielten im Bürgerkrieg die ausländischen Verbündeten der Konfliktparteien. Ohne die Unterstützung aus Italien und dem Deutschen Reich, die vor allem Flugzeuge zur Verfügung stellten, hätten die Putschisten gar nicht auf dem spanischen Festland Fuß fassen können, da sie ihre Truppen aus Marokko erst über eine Luftbrücke dorthin bringen mussten. Das Deutsche Reich entsandte die „Legion Condor“, eine Luftflotte aus Jagdflugzeugen und Bombern. Diese führten die ersten völkerrechtswidrigen größeren Luftangriffe der Geschichte auf eine Zivilbevölkerung durch. Besonders bekannt wurde die fast vollständige Zerstörung der nordspanischen Stadt Guernica am 26. April 1937, bei der Hunderte oder sogar Tausende Menschen starben. Francos Sieg Auch die Regierungstruppen wurden international unterstützt, besonders von der Sowjetunion. Außerdem kämpften die Internationalen Brigaden auf republikanischer Seite gegen Franco. Ab 1938 gewannen dessen Truppen aber zunehmend die Oberhand und eroberten Anfang 1939 Katalonien mit Barcelona. Damit war der Krieg entschieden und Franco errichtete eine Diktatur, die bis zu seinem Tod 1975 andauerte. Politische Gegnerinnen und Gegner wurden brutal verfolgt, Tausende ermordet. Außerdem versuchte Franco, die sprachliche und kulturelle Vielfalt des Landes zu vereinheitlichen. Nach 1975 wurde Spanien zu einer parlamentarischen Monarchie, die Aufarbeitung von Bürgerkrieg und Diktatur dauert aber bis heute an. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 Volksfront, die: Wahlbündnis aus sozialistischen, kommunistischen und linksliberalen Parteien Falange, die: faschistische Bewegung in Spanien, die sich gewaltsam gegen die Republik engagierte M 1: Die Internationalen Brigaden umfassten insgesamt knapp 60 000 hauptsächlich linksgerichtete Menschen aus aller Welt, die auf der Seite der spanischen Republik gegen die Putschisten kämpften. Knapp 1 400 davon kamen aus Österreich. Während mehr als die Hälfte davon im Bürgerkrieg fiel, wurden die Überlebenden in ihren Herkunftsländern, besonders im Deutschen Reich, verfolgt. MUSTER
21 M 4: Das „Spanienarchiv“ des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW) in Wien bietet breite Informationen über die österreichischen Beteiligten im Spanischen Bürgerkrieg. M 2: In seinem berühmten Gemälde „Guernica“ stellte der spanische Maler Pablo Picasso die brutalen Folgen der Bombardierung der Stadt dar. Gemälde von Pablo Picasso, 1937. 1. Nennen Sie basierend auf dem Darstellungstext die unterschiedlichen Grund- und Werthaltungen der beiden Lager des spanischen Bürgerkriegs. 2. Erklären Sie anhand ihrer Ergebnisse aus Aufgabe 1 die Gründe für den Ausbruch des Bürgerkriegs. 3. Arbeiten Sie aus dem Historikertext (M 3) die Folgen des Kriegs heraus. 4. Interpretieren Sie das berühmte Gemälde Picassos (M 2) hinsichtlich der grafischen Verarbeitung des Bombenkriegs. Berücksichtigen Sie dabei vor allem die Besonderheiten dieser Quellengattung. M 3: Der Historiker R. A. C. Parker beschreibt die Opferzahlen im spanischen Bürgerkrieg (2003): Der Krieg kostete viele Menschen das Leben. Der mörderische Terror auf beiden Seiten forderte mehr Opfer als die Kämpfe. Alle Zahlen, die sich auf den spanischen Krieg beziehen, sind Annäherungswerte. Prof. Jackson hat eine Gesamtsumme von 580 000 Toten angenommen. In dieser Zahl sind nur 160 000 Todesopfer enthalten, die auf das Konto des eigentlichen Kampfes zu setzen sind. Die übrigen 420 000 werden politischen Maßnahmen – Hinrichtungen oder tödliche Erkrankungen infolge von Inhaftierung – zugeschrieben. Prof. Jackson macht die Republikaner für nur 20 000 dieser Todesfälle oder Exekutionen verantwortlich und weist die Verantwortung für nicht weniger als 400 000 den Handlungen von nationalistischer Seite vor oder nach dem Kriege zu. [Der Historiker Hugh] Thomas plädiert für eine Gesamtsumme von nicht ganz 600 000, von denen der weitaus größere Teil in der Schlacht gefallen und ein viel kleinerer durch Exekutionen auf Seiten der Rebellen – höchstens 40 000 während des Krieges – ums Leben gekommen sei. Sicher ist nur, dass es viele Exekutionen auf beiden Seiten gab. Parker, R. A. C.: Das Zwanzigste Jahrhundert I. Europa 1918–1945. (= Fischer Weltgeschichte. Vom Imperialismus zum Kalten Krieg I, Bd. 2), 2003, S. 213f. D Die Pariser Vorortverträge und ihre Folgen Aufgaben MUSTER
22 Außereuropäische Perspektive: die „Roaring Twenties“ in den USA 1.6 M 1: Radiogerät der Marke „Atwater Kent Breadboard“. Ein Dreikreis-Geradeausempfänger aus den USA (1924) mit Röhren. 1920 ging in Pittsburgh die erste Radiostation „on air“, drei Jahre später gab es bereits 500 Radiosender. Bereits 1916 hatten die Vereinigten Staaten Großbritannien als stärkste Wirtschaftsmacht der Welt abgelöst. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, den ihr Engagement de facto entschieden hatte, dominierten die USA als alleinige Weltmacht die Friedensverhandlungen von Paris und die Neuordnung der Welt. Es sollte der Auftakt des „amerikanischen Jahrhunderts“ werden. Ein Jahrzehnt des Wandels Die 1920er-Jahre werden heute als jener Zeitabschnitt beschrieben, in dem sich die „modernen USA“ entwickelten. Erstmals lebten mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Zwischen 1920 und 1929 verdoppelte sich das Bruttoinlandsprodukt, nach heutigen Maßstäben herrschte Vollbeschäftigung. „Roaring“ meint das „Brummen“ des Wirtschaftsmotors in den 1920ern. Die deshalb steigenden Einkommen begünstigten die Entstehung einer Konsumgesellschaft. In den neu entstehenden großen Supermarktketten wurden neuartige Produkte wie z. B. der Kühlschrank, die Waschmaschine oder auch das Radio angeboten. Zum Symbol dieser konsumorientierten Massenkultur wurde aber das Auto. Das Modell „Ford T“ war durch die Massenfertigung allgegenwärtig auf den amerikanischen Straßen, 1929 kam bereits ein Auto auf fünf US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner. Ein „weibliches Jahrzehnt“? Als ein weiteres Symbol dieser neuen Zeit gilt die moderne, selbstbewusste Frau, die auf zeitgenössischen Abbildungen gerne mit Pagenkopf, Abendrobe und Zigarillo dargestellt wurde. Tatsächlich hatten Frauen in den USA 1920 das Wahlrecht erlangt, fanden leicht Arbeit in den stetig wachsenden Wirtschaftsbetrieben, und eine einsetzende Debatte über Geburtenkontrolle stellte ein selbstbestimmteres Leben in Aussicht. Dennoch war aber die Masse der Frauen immer noch von ihren Männern abhängig, war familiärer und sexueller Gewalt ausgesetzt und konnte nicht selbst über das eigene Leben bestimmen. Die Prohibition Während der moderne Lebensstil neue Freiheiten ermöglichte, wurden andere eingeschränkt: Aufgrund seiner schädlichen Wirkung wurde 1919 die Herstellung, 1920 auch der Verkauf von Alkohol in den USA verboten. Der Alkoholkonsum wurde dadurch aber keineswegs ausgelöscht, vielmehr verlagerten sich Handel und Konsum auf den Schwarzmarkt. Dieser wurde bald vom organisierten Verbrechen kontrolliert. Das totale Alkoholverbot wurde schließlich 1933, am Höhepunkt der Wirtschaftskrise (s. 1.11), wieder aufgehoben. Soziale Spannungen Das Prohibitionsgesetz wird als ein (gescheiterter) Versuch gesehen, die sozialen Spannungen zu kontrollieren, von denen die US-Gesellschaft gekennzeichnet war. Ein weiterer war der „Immigration Act“ von 1924, mit dem die Einwanderung radikal eingeschränkt beziehungsweise durch Kontingentierung auf bestimmte (europäische) Nationen beschränkt wurde. Von sozialen Zerwürfnissen war auch die afroamerikanische Binnenmigra- tion betroffen, die Millionen Menschen vom agrarischen Süden in den urbanen und industriellen Norden der USA führte („Great Migration“). Der rassistische Ku-Klux-Klan wuchs bis Mitte der 1920erJahre auf über vier Millionen Mitglieder und bekämpfte mit öffentlichem Terror die verstärkte Sichtbarkeit der afroamerikanischen Kultur, die u. a. im Jazz und der Literatur, bekannt unter dem Begriff „Harlem Renaissance“, ihren Ausdruck fand. 5 10 15 20 25 30 35 55 60 65 70 75 40 45 50 M 2: Das Modell „Ford T“ war lange Zeit der Marktführer auf dem entstehenden US-amerikanischen Automobilmarkt. 1927 existierten bereits 15 Millionen Fahrzeuge. M 3: Alphonse Gabriel „Al“ Capone (1899– 1947) war ein Gangsterboss, dessen mafiaähnliche Organisation das verbotene Glücksspiel, die Prostitution und den illegalen Alkoholhandel in Chicago kontrollierte. MUSTER
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