80 5.1 Vom Rassismus zum Antisemitismus Rassismus Der Nationalsozialismus war eine rassistische Ideologie. Seine Anhängerinnen und Anhänger fühlten sich einer angeblich höherstehenden Volksgruppe zugehörig, die sie „arische Herrenrasse“ nannten. Diese gibt es nicht; der Begriff ist eine Erfindung, die grausame Konsequenzen hatte. Alle, die dieser Gruppe nicht angehörten, sollten unterdrückt oder ermordet werden. Zwangssterilisation und Euthanasie Der Rassenwahn der Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten richtete sich aber nicht nur gegen andere Völker, sondern auch gegen geistig, körperlich und seelisch Kranke in der eigenen Gesellschaft. Das führte dazu, dass in NS-Deutschland ab 1933 die Zwangssterilisation legalisiert wurde. Waren psychisch Kranke und Menschen mit Behinderungen nicht in der Lage zu arbeiten, brachte man sie an Orte, die in der beschönigenden NS-Sprache „Heil- und Pflegeheime“ hießen. Dort wurden sie jedoch nicht gepflegt, sondern ermordet. Diese Tötung wurde als „Euthanasie“ bezeichnet und von Ärztinnen und Ärzten durchgeführt. Auf dem Gebiet des heutigen Österreich gab es auch solche Anstalten; zum Beispiel die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz. Abb. 1: Demütigung eines jüdischen Jungen in einer Wiener Schule. Auf der Tafel steht: „Der Jude ist unser größter Feind! Hütet euch vor dem Juden!“ Foto, 1938. Antisemitismus Ein wesentlicher Unterschied zu anderen faschistischen Parteien dieser Zeit war die besonders ausgeprägte Judenfeindlichkeit der NSDAP. Mit ihrer Machtübernahme in Deutschland im Jahr 1933 wurde der Antisemitismus Teil der staatlichen Politik. Diese Politik zielte darauf ab, Juden und Jüdinnen zu unterdrücken. Viele versuchten bald schon, vor der Gewalt in andere Länder zu fliehen. Der Weg von ersten antijüdischen Attacken bis zur endgültigen Vernichtung der Juden und Jüdinnen, dem Holocaust, kann in verschiedene Phasen der Judenverfolgung gegliedert werden: (1) 1933–1935: Boykottaktionen (z. B. gegen jüdische Geschäfte) und erste antisemitische Gesetze (2) 1935–1938: „Nürnberger Gesetze“ und systematische Ausgrenzung begleitet von Terror und Gewalt (3) 1938–1941: Enteignung, Terror und Gewalt; Novemberpogrom (1.4) (4) 1942–1945: Deportation , Ghettoisierung und organisierter Völkermord In Österreich fanden die ersten beiden Phasen innerhalb weniger Monate nach der NS-Machtergreifung 1938 statt. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Verfolgung auf besetzte Gebiete ausgeweitet. Bei der sogenannten „Wannsee-Konferenz“ am 20. Jänner 1942 wurde der Massenmord an den Juden und Jüdinnen Europas bis ins Detail besprochen. Schon zuvor waren etwa 900 000 Menschen jüdischer Herkunft ermordet worden. Nun plante das NS-Regime die Vernichtung von weiteren 11 Millionen Juden und Jüdinnen und setzte sie in großen Teilen auch um. Dieser systematische und durchorganisierte Völkermord wird auch als Shoah bezeichnet. Dieses Wort kommt aus dem Hebräischen und bedeutet „Katastrophe“ oder „Untergang“. Minilexikon Zwangs- sterilisation, die Euthanasie, die Völkermord, der Boykott, der Deportation, die = erzwungener medizinischer Eingriff, der Menschen unfruchtbar macht = Sterbehilfe = Genozid, Verbrechen der Vernichtung einer ethnischen, nationalen oder religiösen Gruppe = Ausschluss, Ächtung = Zwangstransport in KZ-, Arbeitslager oder Ghettos MUSTER
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjg5NDY1NA==