44 3.1 Die Gründung der Republik 1918 Österreich wird eine Republik Österreich hatte den Ersten Weltkrieg verloren. Am 12. November 1918 wurde vor dem Parlament in Wien die Republik Deutschösterreich ausgerufen. Damit endete die über 600 Jahre andauernde Herrschaft der Habsburger. Sie wurde durch eine demokratische Republik ersetzt. Der letzte regierende Habsburger, Kaiser Karl I., musste die Regierungsgeschäfte zurücklegen. Das ehemalige Kaiserreich zerfiel in mehrere neue Staaten, sogenannte Nachfolgestaaten. Der Vertrag von Saint-Germain-en-Laye Im Friedensvertrag von Saint-Germain (Frankreich) legten 1919 die Siegermächte des Ersten Weltkrieges die Grenzen des neuen Staates fest. Viele Gebiete, die zuvor Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie gewesen waren, wurden aufgeteilt: So gingen Südtirol und Istrien an Italien, die Untersteiermark an den SHSStaat , Böhmen und Mähren an die Tschechoslowakei und Galizien an Polen. Zudem musste Österreich hohe Reparationszahlungen an die Siegermächte leisten. Außerdem wurde auch der Staatsname „Deutschösterreich“ verboten und der Anschluss an das Deutsche Reich untersagt. Eine Krisenzeit Der neue österreichische Staat kämpfte mit verschiedenen Problemen. Die Bevölkerung in den Städten hatte weder genug zu essen noch ausreichend Heizmaterial, daneben wütete von 1918 bis 1920 die Spanische Grippe . Die Wirtschaft war geschwächt, das Geld wurde immer weniger wert. Die Lebenswelt, die die Bevölkerung bis dahin gekannt hatte, existierte nicht mehr. Das einst so große und mächtige Kaiserreich Österreich hatte seinen Einfluss in Europa verloren. Große Teile der Bevölkerung hatten zudem kein Verständnis für die neue Republik. Die vielen Diskussionen im Parlament wurden als Schwäche des neuen politischen Systems gesehen. Abb. 1: Erste Frauen im österreichischen Parlament. Foto, 1919. Minilexikon Reparationszahlung, die SHS-Staat Spanische Grippe, die = Zahlungen zur Behebung von Zerstörungen, die ein besiegtes Land in einem anderen Land im Krieg angerichtet hat = Vielvölkerstaat in Südosteuropa (umfasste Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Montenegro, den Kosovo und Nordmazedonien) = Grippepandemie, die zwischen 1918 und 1920 weltweit 20 bis 50 Mio. Menschenleben kostete. In der „Arbeiterzeitung“ steht zur Gründung der Republik: „Der heutige Tag hat verwirklicht, wofür wir seit Jahrzehnten gearbeitet, seit Jahrzehnten gekämpft haben. Am heutigen Tage ist Deutschösterreich [...], zur demokratischen Republik geworden. Es gibt kein Kaisertum [...] mehr! Alle die Hindernisse, die ein halbes Jahrhundert lang dem Befreiungskampf des arbeitenden Volkes unüberwindliche Schranken gesetzt haben, sind zerbrochen. Binnen einem Vierteljahr wird Deutschösterreich seine kontinuierliche Nationalversammlung auf Grund des allgemeinen und gleichen Wahlrechtes aller Männer und Frauen wählen und diese Versammlung wird, vollständig souverän, die staatliche Verfassung und die gesellschaftliche Ordnung unseres neuen Staates festsetzen. Dieser Staat aber wird ein Bestandteil der großen deutschen Republik, ein Glied des großen roten Deutschland sein. Das sind die stolzen Errungenschaften des heutigen Tages.“ Artikel in der Arbeiterzeitung 13.11.1918, S. 1. MUSTER
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