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136 Das österreichische Parlament Das österreichische Parlament besteht aus dem Nationalrat und dem Bundesrat. Im Nationalrat werden Gesetze beschlossen, die für ganz Österreich gelten. Damit aber auch die Interessen der einzelnen Bundesländer vertreten werden, sendet jedes Bundesland Mitglieder für den Bundesrat. Zu den wichtigsten Aufgaben des Parlaments gehören die Gesetzgebung und die Kontrolle der Regierungsarbeit. Regierungsparteien In Österreich finden alle fünf Jahre Nationalratswahlen statt. Manchmal kommt es auch zu vorgezogenen Neuwahlen, wenn eine Mehrheit im Nationalrat das verfrühte Ende der Legislaturperiode beschließt. In der Praxis kann das passieren, wenn eine Koalition zerbricht: In diesem Fall sind zum Beispiel Meinungsverschiedenheiten zwischen den regierenden Parteien so groß, dass sie nicht mehr miteinander weiterregieren wollen. Dann können diese mit ihrer Mehrheit im Nationalrat Neuwahlen beschließen. Das Wahlergebnis ist für die Regierungsbildung entscheidend. Meistens wird die stimmenstärkste Partei von der Bundespräsidentin oder dem Bundespräsidenten mit der Regierungsbildung beauftragt. Sie führt nun mit anderen Parteien, mit denen sie gemeinsam eine Mehrheit im Nationalrat bilden könnte, also über 50 % der Stimmen erreichen würde, Gespräche über eine mögliche Zusammenarbeit. Wenn sie sich einig werden, können sie eine Koalition, also ein Regierungsbündnis, bilden. Die Regierung verfügt so automatisch über die Mehrheit im Nationalrat, was bedeutet, dass Gesetze, die von ihr eingebracht werden, auch gegen den Willen der Opposition angenommen werden. Einzig bei Verfassungsänderungen ist die Regierung auch auf die Stimmen der Opposition angewiesen. Eine solche kann nämlich nur mit einer Zweidrittelmehrheit vorgenommen werden. Abb. 1: Im Jänner 2020 löste diese Regierung aus ÖVP und Grünen die Übergangsregierung von Brigitte Bierlein ab. Oppositionsparteien Jene Parteien, die nicht der Regierung angehören, bilden die Opposition. Jede Partei, die bei einer Nationalratswahl mehr als 4 % der Wählerstimmen erreicht, ist im Parlament vertreten. Die Aufgabe der Oppositionsparteien ist es nun, die Arbeit der Regierung zu kontrollieren und Entscheidungen zu unterstützen oder zu kritisieren. Sie können Anträge einbringen, die vom Parlament bearbeitet werden müssen. Da sie aber in der Minderheit sind, ist es schwer, ihre Gesetzesentwürfe auch durchzubringen. Machtungleichheiten zwischen Regierung und Opposition Es gibt Themen, die sowohl von den Regierungsparteien als auch von den Oppositionsparteien ähnlich betrachtet werden. Andere Themen führen zu heftigen Debatten im Parlament. Ein solches Thema war der Nichtraucherschutz. Während die Opposition die Verabschiedung eines Nichtraucherschutzgesetzes unterstützte, entschied sich die ÖVP-FPÖ-Regierung dagegen. 2017 kam es so zu einem Volksbegehren (s. 8.3) namens „Don't smoke“. Es wurde ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie gefordert. Obwohl fast 900 000 Österreicherinnen und Österreicher dafür waren, ignorierte die Regierung die Forderung nach Nichtraucherschutz. Erst nach Zerbrechen der ÖVP-FPÖ-Regierung wurde die Diskussion neu entfacht. Nun unter Führung von Brigitte Bierlein, die die erste weibliche Bundeskanzlerin Österreichs war, kippte eine Mehrheit im Nationalrat, der auch die ÖVP angehörte, in einer neuen Abstimmung den Gesetzesentwurf der vorigen Regierungsparteien und beschloss ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie. Dieses trat mit 1. November 2019 in Kraft. 8.2 Österreichisches Parlament Im Februar 2018 berichtete die Tageszeitung Die Presse über das Volksbegehren "Don't smoke": „Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sympathisiert zwar mit den Anliegen des Volksbegehrens für ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie, wegen des Koalitionsabkommens mit der FPÖ seien ihm aber die Hände gebunden, erklärte Kurz gegenüber der ‚Kleinen Zeitung‘. […] [So] sei die ‚Beibehaltung der aktuellen Regelung eine Koalitionsbedingung der FPÖ‘ gewesen, sagte der Bundeskanzler.“ „Don’t Smoke“: Kurz verweist auf Regierungsabkommen, in: Die Presse, Print-Ausgabe 24.02.2018. MUSTER

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