108 Geschichte und Geschichtskultur 6.6 History-Boom Seit den 1980er-Jahren spricht man von einem „History-Boom“, also von einem steigenden Interesse an Geschichte – ein Gegensatz zu den ersten Jahrzehnten nach 1945, in denen die Gegenwart sehr wichtig war und viele Menschen ihre Hoffnung in die Zukunft legten. Unsere „globalisierte“ Gegenwart erscheint vielen unübersichtlich und kompliziert, die Zukunft ungewiss und gefährlich (z. B. Klimakrise, Atomaufrüstung). Die Vergangenheit – also das schon Bekannte – gibt vielen Menschen dagegen ein Gefühl von Sicherheit. Sie glauben, in der Geschichte klare Strukturen und Übersichtlichkeit zu finden, die sie in der Gegenwart vermissen. Geschichte ist überall Unter dem Begriff „Geschichtskultur“ versteht die Wissenschaft den öffentlichen Umgang mit Geschichte: die Verwendung von Geschichte in Museen, Ausstellungen und Büchern, die Produktion von TVDokumentationen, Websites, Kinofilmen und Videospielen. Geschichte begegnet uns auch im Alltag sehr oft – in Straßennamen, in politischen Reden, im Fernsehen und natürlich in der Schule. Aufbauend auf Anne Franks Tagebuch wurden in den letzten Jahren mehrere geschichtskulturelle Produkte präsentiert. Neben der Graphic Novel (S. 78/79) gibt es einen neuen Film und ein Video-Tagebuch. Darin folgt man Anne Frank in 15 Episoden bis zu ihrer Deportation. Diese Produkte sollen einen zeitgemäßen Blick auf das Leben der Anne Frank bieten, damit die Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse der Shoah erhalten bleiben. Abb. 1: Fantasy-Filme wie „Der Hobbit“ werden oft als historisch korrekte Darstellungen missverstanden. Besonders bei historischen Film- und Fernsehproduktionen ist aber oft nicht nur das Interesse am Vergangenen wichtig, sondern vor allem auch wirtschaftliche Überlegungen. Viele Informationen, die in Produkten der Geschichtskultur enthalten sind, sind häufig absichtlich übertrieben und falsch, um mehr Konsumentinnen und Konsumenten anzusprechen – daher lohnt es sich, nicht immer alles zu glauben, was einem über die Vergangenheit erzählt wird, sondern die Informationen besser selbst zu prüfen. History sells Sehr viele Videospiele drehen sich um historische Themen. Neben den Strategie-Klassikern „Age of Empires“ oder „Civilization“ finden sich heute auch unzählige Ego-Shooter (z. B. „Call of Duty“) oder Action-Adventures (z. B „Assassin’s Creed“), die in einer fiktiven Vergangenheit spielen. Millionen von Menschen beschäftigen sich auf diese Weise mit der Vergangenheit. folgt Abb. 2: „Anno 1800“ wurde von Gamestar.de zum besten Strategiespiel 2019 gewählt. Außerdem gibt es viele Serien und Filme, die vergangene Geschichten erzählen. „Ice Age“, einer der erfolgreichsten Computeranimationsfilme, spielt vor etwa 20 000 Jahren. Dass in all diesen Produkten nicht immer eine realistische Vergangenheit gezeigt wird, sollte allen klar sein. Mehr dazu … Ein Film zu Anne Frank (Trailer): https:// youtu.be/a1kxh1i9U2o (13.11.2020) Ein virtueller Rundgang ins Hinterhaus: https://www.annefrank.org/de/annefrank/das-hinterhaus/raum-mit-bucherschrank/ (13.11.2020) Das „klassische“ Tagebuch: Frank, Anne: Tagebuch. Frankfurt/M.: Fischer 2011 MUSTER
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