Wer ist krank? Wer ist gesund? In jeder Gemeinschaft gibt es gesunde und kranke Menschen. Im Laufe der Geschichte hat sich allerdings immer wieder verändert, was „gesund“ und „krank“ bedeutet. Heute teilen wir Krankheiten in psychische („Psyche“) und physische („Physis“) Krankheiten ein. Psychische Krankheiten betreffen das Seelenleben, also wie sich jemand fühlt. Es ist oft schwierig, eine Diagnose zu stellen, weil die Symptome sehr unterschiedlich sein können. Physische Krankheiten betreffen den Körper. Wenn du also Grippe hast, bist du physisch krank. Der Umgang mit psychisch Kranken In der Antike gab es in Griechenland bereits psychiatrische Krankenanstalten. So nennt man Einrichtungen, in denen psychisch kranke Menschen behandelt werden. Verschiedene Personen wie der römische Anwalt und Politiker Cicero (1. Jh. v. Chr.) beschrieben psychische Krankheiten. Wir wissen also, dass bereits vor 2000 Jahren Menschen nicht nur körperlich, sondern auch geistig erkrankt waren. Damals nannte man diese Menschen aber „schwachsinnig“, „irrsinnig“ oder „wahnsinnig“. Diese Bezeichnungen sind heute Schimpfwörter. Ab dem 13. Jh. entstanden im islamischen Kulturkreis erste Spezialanstalten für psychisch Kranke in Damaskus, Kairo und Granada. Dort wurden sie nach damaligem Wissen behandelt. Es gab aber auch Verwahrungshäuser. Dort wurden die kranken Menschen von der Gemeinschaft weggesperrt. Im Spätmittelalter änderte sich die Situation. Die Menschen waren sehr gläubig. Sie glaubten, dass „Schwachsinnigkeit“ ein Werk des Teufels war. Viele Kranke wurden aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, verfolgt, gefoltert oder sogar ermordet. Entwicklung der modernen Psychologie Im 18. Jh. ließen die Verfolgungen zwar nach, vielen psychisch Kranken ging es aber nicht unbedingt besser. Sie wurden in Zuchthäuser eingesperrt und mussten ohne medizinische Betreuung auskommen. Seit 1800 entwickelte sich die moderne Medizin weiter. Die Ärzte interessierten sich für psychische Krankheiten und beschrieben ihre Symptome . Die erste psychiatrische Klinik der Welt wurde 1784 in Wien gegründet (s. Abb. 1). In Wien arbeitete auch der weltberühmte Psychologe Sigmund Freud. Er wies nach, dass wir sehr stark von unserem Unbewussten beeinflusst werden. Auch Alfred Adler und Viktor E. Frankl beschäftigten sich mit der Psyche. Freud, Adler und Frankl zählen zu den Begründern der modernen Psychologie. Da alle drei jüdischer Abstammung waren, wurden sie im Nationalsozialismus (ab 1938) verfolgt. Freud und Adler konnten aus Österreich fliehen. Frankl überlebte die Konzentrationslager und wirkte nach 1945 wieder in Wien. – Im Nationalsozialismus wurden psychisch kranke Menschen ausgegrenzt und gequält. Über 200 000 psychisch kranke oder verhaltensauffällige Menschen wurden ermordet. Minilexikon Diagnose, die Symptom, das Nationalsozialismus, der = Feststellen einer Krankheit = typisches Merkmal einer Krankheit = politische Bewegung unter dem „Führer“ Adolf Hitler. In Österreich und Deutschland errichteten die Nazis eine Diktatur und waren für die Tötung von Millionen Menschen im Zweiten Weltkrieg verantwortlich. Abb. 1: Das Wiener Allgemeine Krankenhaus mit dem „Narrenturm“, Kupferstich von Josef und Peter Schaffer, 1787 (Ausschnitt). 1.6 Vertiefung II: Psychische Erkrankungen 18 MUSTER
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