172 9.5 Das dritte Lager und die FPÖ Neben den beiden großen politischen Lagern, die durch ÖVP (katholisch-konservatives Lager) und SPÖ (sozialistisches Lager) vertreten wurden (s. 9.4), bestand seit dem 19. Jh. eine dritte politische Strömung, die als deutschnationales Lager bezeichnet wurde. Seine Anhängerinnen und Anhänger vertraten die großdeutsche Idee, forderten also die Zusammenfassung aller Deutschen in einem großen Staat. Außerdem waren sie antikatholisch und antisemitisch eingestellt. Mit dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 traten viele Deutschnationale der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) Adolf Hitlers bei. Nach der Wiedererrichtung Österreichs durften sich die Anhängerinnen und Anhänger der NSDAP zunächst nicht politisch betätigen. Doch schon 1949 wurde der „Verband der Unabhängigen“ als Partei des dritten Lagers gegründet. Aus diesem VdU wurde 1955 die FPÖ, die Freiheitliche Partei Österreichs. Ihr erster Parteiobmann war Anton Reinthaller, ein ehemaliger Nationalsozialist wie viele andere frühe FPÖ-Politiker auch. Die FPÖ verbindet seit den 1960er-Jahren die nationalen Ideen des dritten Lagers mit wirtschaftsliberalen Zielen (s. 9.3). Dabei kam es immer wieder zu innerparteilichen Kämpfen zwischen Nationalen und Liberalen. Ab 1986 führte Jörg Haider die Partei in eine rechtspopulistische Richtung, die ab 2005 von Parteiobmann Heinz-Christian Strache verstärkt wurde. Die Partei richtet sich dabei insbesondere gegen den Zuzug von Migrantinnen und Migranten. Außerdem ist sie seit dem EU-Beitritt 1995 europakritisch eingestellt. Von 2017 bis 2019 war die FPÖ zum vierten Mal in der Bundesregierung vertreten. Die Grünen und die Liste Pilz Seit Mitte der 1980er-Jahre fühlen sich immer mehr Wählerinnen und Wähler keinem der drei traditionellen Lager zugehörig. Dies spiegelte sich auch in der Gründung neuer Parteien wider (s. 9.3). Aus der Anti-Atom-Bewegung der 1970er-Jahre entstanden mehrere Gruppen, die sich für den Naturschutz einsetzten. 1986 entstand daraus die Partei „Die Grünen“. Außerdem engagieren sich „Die Grünen“ für die Menschenrechte und eine nachhaltige Wirtschaft . Bei den „Grünen“ kam es 2017 zu innerparteilichem Streit. Dies führte dazu, dass der Abgeordnete Peter Pilz eine eigene Partei gründete. Die „Liste Pilz“ zog 2017 in den Nationalrat ein und wurde 2018 in „Liste Jetzt“ umbenannt. Mit dem Einzug der Liste Pilz in den Nationalrat wurden die „Grünen“ aus dem Nationalrat gewählt. Bei der Nationalratswahl 2019 zogen die „Grünen“ wieder in den Nationalrat ein, die „Liste Jetzt“ schaffte es nicht. Liberales Forum und NEOS 1993 spaltete sich eine Gruppe von liberalen Politikerinnen und Politikern von der FPÖ ab und gründete das „Liberale Forum“. Damit protestierte sie gegen die rechtspopulistische Politik Jörg Haiders. Das „Liberale Forum“ war bis 1999 im Parlament. Seit 2012 gibt es mit den NEOS eine liberale Partei, die sich unter anderem für Reformen in der Bildungspolitik und Einsparungen in der Verwaltung einsetzt. Abb. 1: Jörg Haider war der erste Rechtspopulist in Österreich, Foto 1995. Abb. 2: Matthias Strolz führte die NEOS 2013 ins Parlament. 2018 zog er sich aus der Politik zurück, Foto 2018. Minilexikon Anti-Atom- Bewegung, die antisemitisch nachhaltige Wirtschaft, die rechtspopulistische Politik, die sich engagieren = gegen Atomkraft gerichtete Protestbewegung = judenfeindlich = umweltfreundliche Wirtschaft = eine nach den Stimmungen in der Bevölkerung ausgerichtete, rechte Politik = sich einsetzen Alternativen zu SPÖ und ÖVP MUSTER
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