170 9.4 Eine ungewöhnliche Partnerschaft 1918 wurde die österreichische Republik als Demokratie gegründet. Die Erste Republik endete 1934 und 1945 wurde die Zweite Republik gegründet. Sowohl in der Ersten als auch in der Zweiten Republik wurde die Politik vor allem durch zwei Parteien stark beeinflusst: durch SPÖ und ÖVP bzw. deren Vorgängerorganisationen. Beide haben sehr lange Zeit regiert. Besonders nach 1945 gestalteten sie das Land gemeinsam. Die Zusammenarbeit der Regierung mit Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft ist seit 1957 in der Sozialpartnerschaft organisiert. Die Österreichische Volkspartei (ÖVP) Die ÖVP wurde 1945 gegründet. Als bürgerliche Sammelpartei vereinte sie konservative Einstellungen mit Wirtschaftsliberalismus (s. 4.4) und katholischen Werten. Ihre Wurzeln liegen in der Christlichsozialen Partei, die bereits 1893 gegründet worden war. Die Wählerschaft der ÖVP besteht einerseits aus Wirtschaftstreibenden und konservativen Angestellten. Andererseits ist die ÖVP auch stark im ländlichen Bereich verankert und stellt dort einen Großteil der österreichischen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Außerdem ist die ÖVP sehr stark bei den Beamtinnen und Beamten vertreten, die in der Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes organisiert sind. Insbesondere im ländlichen Raum hat die ÖVP seit den 1990er-Jahren viele Stimmen an die FPÖ verloren. Von 1945 bis 1970 stellte die ÖVP immer den Regierungschef, danach war sie bis 1987 in Opposition . Seit 1987 ist die ÖVP ohne Unterbrechung in der Bundesregierung. In den Jahren 2020–2025 regiert sie Österreich gemeinsam mit den „Grünen“. Seit 2025 bilden ÖVP, SPÖ und NEOS die österreichische Bundesregierung. Die Sozialdemokratische Partei (SPÖ) Die SPÖ wurde 1889 gegründet. Seither gilt sie als die politische Vertretung der Arbeiterschaft (s. 4.3) und setzt sich für soziale Gerechtigkeit ein. Die SPÖ wurde daher lange Zeit hauptsächlich von Beschäftigten in der Industrie und im Gewerbe gewählt. In den 1970er-Jahren änderte sich das. Seit damals zählen auch Wirtschaftstreibende und immer mehr Universitätsabsolventinnen und -absolventen zur SPÖ-Wählerschaft. Seit den 1990er-Jahren hat die SPÖ große Teile ihrer Stammwählerschaft (Arbeiterinnen und Arbeiter) an die FPÖ verloren. Dafür hat sie bei den Beamtinnen und Beamten dazugewonnen. Außerdem wird sie von vielen älteren Menschen gewählt. Mit zwei kurzen Unterbrechungen (1966–1970; 2000–2007) war die SPÖ immer in den Regierungen der Zweiten Republik vertreten. Ab 2017 war sie wieder in Opposition. Seit 2025 ist die SPÖ zusammen mit ÖVP und NEOS wieder Teil der österreichischen Bundesregierung. Abb. 1: Die Spitzen von ÖVP und SPÖ nach der Volksabstimmung für den EU-Beitritt Österreichs, Foto 1994 (von links: Erhard Busek, Alois Mock, Franz Vranitzky, Viktor Klima). Minilexikon Opposition, die = die Parteien, die nicht in der Regierung sind Der Eintrag zur Sozialpartnerschaft auf www.politik-lexikon.at lautet: „Die österreichische Sozialpartnerschaft ist die Zusammenarbeit der großen wirtschaftlichen Interessensverbände (Arbeiterkammer – AK, Österreichischer Gewerkschaftsbund – ÖGB, Landwirtschaftskammer – LK und Wirtschaftskammer Österreich – WKO) untereinander und mit der Regierung. Es geht dabei um alle Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Diese Zusammenarbeit ist freiwillig, und die Organisationen bemühen sich, Probleme gemeinsam zu lösen. Weil viele Interessen partnerschaftlich verhandelt werden, gibt es in Österreich sozialen Frieden.“ http://www.politik-lexikon.at/sozialpartnerschaft/ (vereinfacht) (08.04.2020). D SPÖ und ÖVP MUSTER
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