148 Nationale Identitäten Unsere Ich-Identität setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen: Du bist gleichzeitig Mädchen oder Bub, Schülerin oder Schüler, Teil deiner Familie und Mitglied von Freundeskreisen. Ein Teil unserer Identität betrifft unsere Nationalität. Dabei geht es um die Nation, der wir uns subjektiv zugehörig fühlen. Die nationale Identität kann im Laufe eines Lebens wechseln: Man kann als Österreicherin oder Österreicher geboren werden und (z.B. als Folge von Migration) später die chinesische Nationalität annehmen. Gemeinsam statt einsam Eine Nation ist eine (größere) Gruppe von Menschen, die eine gemeinsame Vergangenheit teilen und den Wunsch haben, jetzt und in Zukunft zusammenzuleben. Dabei ist gar nicht wichtig, ob es diese gemeinsame Vergangenheit tatsächlich gab. Dass die Menschen gemeinsame Vorstellungen, Hoffnungen und Wünsche teilen, reicht aus, um sich einer Nation zugehörig zu fühlen. Der Nationalismus … Seit dem 19.Jh. ist das Wort Nation zu einem der wichtigsten Begriffe der Politik geworden (s. 4.4 und 4.6). Während für die Menschen davor wichtiger war, welchem Stand oder welcher Religion sie angehörten, ist die Nationalität ab etwa 1800 ausschlaggebend für die Identität. Die Betonung der nationalen Zusammengehörigkeit hatte weitreichende Folgen. Um zu definieren, was die eigene Nation war, brauchte man andere. Um sich selbst möglichst positiv darzustellen, half es, die anderen schlechtzumachen. Diese Haltung nennt man Nationalismus: Die eigene Nation wird gegenüber den anderen als besser und überlegen präsentiert. Bis heute entstehen daraus viele Konflikte. … und seine Folgen Die Folgen des Nationalismus kann man auch in der Entstehung von sogenannten Nationalstaaten erkennen. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges zerfielen große Reiche, wie Österreich-Ungarn oder das Osmanische Reich. Aus diesen sogenannten Vielvölkerstaaten entstanden neue, kleinere Staaten. Griechenland, Türkei, Österreich, Tschechoslowakei usw. Sie entwickelten ein neues Nationalgefühl als Griechen, Türken oder Österreicher. Damit war klar, dass jene Bevölkerungsgruppen, die nicht zum „Staatsvolk“ gehörten, bestenfalls als Gäste gesehen wurden. Nationale Minderheiten, wie etwa die Türken in Griechenland oder die Griechen in der Türkei, wurden geächtet oder verfolgt. Minilexikon subjektiv = aus einer bestimmten Sicht gesehen 8.2 Abb. 1: In den meisten Staaten wird die Nation mit einem eigenen Feiertag gefeiert, wie hier in Norwegen. Foto 2012. Der Historiker Eric Hobsbawm erklärt die Bedeutung der Nation für die modernen Staaten: „Nationen sind ‚vorgestellte Gemeinschaften‘. Mit der Nation wird der Versuch unternommen, Staat und Volk zu verbinden.“ ZEIT ONLINE GmbH, Hamburg, DIE ZEIT Archiv, Jg. 1991, Ausgabe 42, 11.10.1991, S. 137. D Nation und Nationalstaat MUSTER
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