Denkmal 3, 2025 + E-Book

98 5.4 Planung einer „Musterkolonie“ Das Deutsche Reich besetzte 1897 das Dorf Qingdao (Tsingtao) an der chinesischen Ostküste. Das Gebiet war mit einer Fläche von 515 km² vergleichsweise klein. Die Stadt sollte aber zu einer deutschen „Musterkolonie“ werden. In kurzer Zeit wurden der Hafen und eine Eisenbahnlinie ausgebaut sowie eine neue Verwaltung nach deutschem Vorbild eingerichtet. Deutsche Fabriken und Sportvereine prägten das Stadtbild. Alltag in der Kolonie Das Deutsche Reich zwang China zur Unterzeichnung eines Pachtvertrags und stellte das Gebiet unter seine „Schutzherrschaft“. Damit war die einheimische Bevölkerung enteignet worden und das Gebiet verlor seine Unabhängigkeit. Qingdao wurde nach deutschen Plänen umgebaut. Chinesinnen und Chinesen mussten in eigenen Wohnvierteln leben, getrennt von der deutschen Bevölkerung. Die Stadt wurde nach europäischen Vorstellungen umgebaut und mit einer modernen Infrastruktur ausgestattet. Dabei wurde der europäische Teil der Stadt bevorzugt: Hier wurden Straßen, Kanalisation, elektrische Straßenbeleuchtung und Schulen für chinesische und deutsche Kinder gebaut. Auch in der Schule herrschte eine Trennung nach Rassen. Der folgende Bericht erschien 1915 in einer Shanghaier Zeitschrift. Der Autor ist unbekannt. Er hat 1914 drei Monate in Qingdao gelebt. Hier zitiert er eine andere Person: „Wenn man hier in Qingdao lebt, muss man sich streng an die Gesetze und Regeln halten, um Gefahren zu vermeiden. Eine kleine Unachtsamkeit und die Strafe folgt sofort. Solange die Ausländer das Sagen haben, müssen wir tagaus tagein vorsichtig sein. Erst wenn wir das Pachtgebiet zurückerhalten, werden wir wieder ein Leben haben können.“ „Der Wölbbrettzither Spielende“: Erinnerungen an Qingdao. In: „Magazin Großes China“, Band 1, Nummer 4, 20.04.1915, S. 3. Zit. nach: https://www.china-schul-akademie.de/lernmodule/cik/ lerneinheiten/m-cik-l3/materialien/m-cik-m3-2/ [Stand: 28.01.2024]. Abb. 1: Straße in einem chinesischen Wohnviertel in Sautschutan bei Qingdao. Foto, unbekannt, um 1905. Erbe der „Musterkolonie“ Die Kolonie bestand bis 1919. Chinesische Kleinhändlerinnen und Kleinhändler profitierten von der modernen Infrastruktur. Mit der Bahnlinie konnten sie ihre Waren leichter transportieren. In der immer größer werdenden Kolonie ergaben sich außerdem neue Absatzchancen. Im Gegensatz dazu war die Kolonie für Deutschland eher ein Verlustgeschäft. Bis heute sind zahlreiche Häuser und Bauwerke in der Innenstadt geblieben sowie das Tsingtao-Bier, eine der bekanntesten und ältesten Biermarken in China. Die Brauerei wurde damals vor allem für deutsche Matrosen und Soldaten gegründet. Minilexikon enteignen Pachtgebiet, das Pachtvertrag, der Verwaltung, die = den eigentlichen Eigentümern wegnehmen = hier: chinesische Gebiete, die zu dieser Zeit von den Deutschen kontrolliert wurden = eigentlich ein Vertrag, bei dem der Eigentümer dem Pächter eine Sache zur befristeten Nutzung überlässt; dafür erhält er Geld; hier musste China sein Eigentum abgeben, ohne dafür eine Entschädigung zu erhalten = Sie kümmert sich um die Einhaltung der Gesetze in einem Land und um Fragen des täglichen Lebens. Sie arbeitet für den Staat. Die Perspektive der Unterdrückten MUSTER

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