138 7.6 Kinderarbeit im 21. Jahrhundert Am Vormittag in die Schule gehen, am Nachmittag in den Sportverein, am Abend vor dem Fernseher sitzen. Am Wochenende dann ein Ausflug mit den Eltern. Das ist für viele Kinder in Österreich ganz normal. Schülerinnen und Schüler in vielen afrikanischen und asiatischen Ländern können sich das gar nicht vorstellen. In den ärmsten Ländern der Erde haben nicht alle Kinder die Möglichkeit, eine Schule zu besuchen. Viele müssen arbeiten gehen, um ihre Familien zu versorgen. Sie haben also gar keine Zeit für die Schule, weil sie den ganzen Tag arbeiten. Dieses Schicksal haben viele Kinder: Jedem sechsten Kind geht es so. Die 13-jährige Yeni lebt mit ihrer Familie auf der Insel Nias in Indonesien. Sie musste die Schule in der 3. Klasse abbrechen. Ihr Vater ist so krank, deshalb muss Yeni arbeiten, damit sich die Familie ernähren kann: 7:00 Uhr: „Durch die Fensteröffnung sehe ich, wie der Himmel langsam hell wird. Zeit zum Aufstehen. Ich bin immer als Erste auf, weil ich das Frühstück vorbereiten muss. Es gibt jeden Tag das Gleiche: Kochbananen und Kokosnuss.“ 7:45 Uhr: „Meine Mutter, meine Geschwister und ich machen uns auf den Weg zum Steinbruch. Wir bringen eine Schubkarre, Hämmer, Hacken und eine Schaufel mit. Wie jeden Morgen begegnen uns ein paar Kinder, die zur Schule gehen. Ich beneide sie so!“ 8:00 Uhr: „Jetzt geht die tägliche Schufterei los. Als erstes muss ich Steine aus dem Fluss auf die Schubkarre laden und zu einer Stelle oberhalb des Flusses transportieren. Danach muss ich die Steine in Stücke schlagen. Oft klopfe ich mir mit voller Kraft versehentlich auf die Finger oder auf die Hand. Ständig sind einige Fingernägel blau, und meine Hände bluten, sind zerkratzt und rissig. Wir fertigen Steine in verschiedenen Größen an, die für unterschiedliche Zwecke verwendet werden: z. B. als Kies oder Schotter für den Bau von Straßen und Häusern. Ab und zu rumpeln LKWs in den Steinbruch. Sie transportieren die Steine, die wir zu Haufen aufgetürmt haben, ab. Die Fahrer bezahlen dem Steinbruch-Besitzer Geld für jede Ladung, die sie mitnehmen. Ich sehe manchmal, wie der Besitzer dicke Bündel von Geldscheinen in seine Tasche steckt. Wir bekommen nur einen sehr kleinen Teil von diesem vielen Geld. Davon können wir kaum überleben.“ 11:00 Uhr: „Endlich Pause! Ich schnappe meinen Hammer und renne nach Hause. Unser Haus ist nur ungefähr 5 Minuten Fußweg vom Steinbruch entfernt. Die anderen kommen später, wenn ich das Mittagessen zubereitet habe. Mittags gibt es bei uns jeden Tag Reis und Gemüse.“ 12:00 Uhr: „Schnell zurück zum Fluss. Puuuuh, vor allem jetzt in der Mittagssonne ist es unerträglich heiß; es gibt weit und breit keinen Schatten. Den gesamten Nachmittag hocke ich vor meinen Steinhaufen und zerschlage einen Stein nach dem anderen. Meine Arme, mein Rücken und meine Beine tun weh. Außerdem muss ich mich ständig kratzen, weil mich die Ameisen gebissen haben. Ich kann’s kaum erwarten, dass die Zeit für heute um ist.“ 17:30 Uhr: „Geschafft! ENDLICH FEIERABEND!!! Wir packen unsere Sachen zusammen und gehen zurück nach Hause. Jetzt freuen wir uns auf das Abendessen. Ich koche, meine Schwester spült. Danach bleibt nicht mehr viel Zeit zum Spielen. In unserem Dorf gibt es kein elektrisches Licht, und wenn die Sonne untergegangen ist, ist es drinnen und draußen wirklich stockdunkel.“ 20:00 Uhr: „Meine Mutter muss uns gar nicht in die Betten scheuchen, denn auch wir Kinder sind hundemüde von der Arbeit. Meine Eltern und wir beiden Mädchen schlafen in einem durch Bretter abgetrennten Teil der Hütte, meine Brüder in einem anderen Teil. Wir liegen dicht gedrängt auf harten Holzlatten. Wenn es regnet oder stürmt, ist es ziemlich ungemütlich in unserer Hütte. Die wenigen Bretter, aus denen das Haus besteht, bieten keinen sehr guten Schutz gegen Unwetter. Aber jetzt muss ich dringend schlafen. Morgen wird wieder ein harter Tag.“ http://www.geo.de/geolino/mensch/3307-rtkl-kinderarbeit-ist-trauriger-alltag (15.03.2024) Abb. 1: Yeni arbeitet mit ihrer Schwester im Steinbruch am Sinoto River in Indonesien; Foto ohne Jahreszahl Vertiefung: Moderne Sklaverei? MUSTER
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