Denkmal 2, 2024 + E-Book

118 6.5 Erste Kontakte: Kriege und Bündnisse Im heutigen Kanada verliefen die Begegnungen zwischen Europäern und Indigenen sehr vielfältig. Französische Fischer und Händler bauten bereits ab 1600 erste Siedlungen an der Atlantikküste. Dort traten sie mit den indigenen Stämmen in Austausch. Das Zusammenleben war nicht immer friedlich. Die Indigenen führten teilweise untereinander Krieg. Vor allem ging es darum, den Pelzhandel mit den Europäern zu kontrollieren. Diese nutzten die Streitigkeiten geschickt aus. Das schwächte die indigenen Völker immer mehr. Abb. 1: Mit 215 kleinen orangefarbenen T-Shirts wurde 2021 der indigenen Kinder gedacht, deren Überreste auf dem Gelände der ehemaligen Internatsschule Kamloops Indian Residential School gefunden wurden. Foto, 2021 Assimilierung Frankreich musste 1763 alle seine kanadischen Besitzungen an Großbritannien abgeben. Die Siedlerinnen und Siedler durften die französische Sprache und auch den katholischen Glauben behalten. Viele Indigene waren zum Christentum übergetreten, und es gab viele Beziehungen zwischen französischen Männern und indigenen Frauen. Ihre Nachkommen bilden heute eine eigene Volksgruppe in Kanada, sie werden Métis genannt. Ab dem 19. Jahrhundert wurden die indigenen Stämme in kleine Reservate gedrängt, wo die Jagd von Büffeln und Rentieren unmöglich war. Das frei gewordene Land besiedelten die Weißen. Die Indigenen verarmten, außerdem wurden wichtige Bestandteile ihrer Kultur, etwa Tänze und Feiern, verboten. Alle (!) Kinder wurden in staatlichen Internatsschulen aufgezogen. Dort durften sie ihre indigenen Sprachen nicht sprechen und wurden aus ihrer Kultur herausgerissen. Verelendung und Versöhnung Die Spuren dieser Politik sind in der indigenen Bevölkerung heute sehr deutlich sichtbar: Die Traumatisierungen und die Entwurzelung der ehemaligen Internatskinder sowie die schlechte wirtschaftliche Stellung der Reservate haben zu Verelendung geführt. Die „First Peoples“, wie die Indigenen heute genannt werden, leben vielfach in Armut. Ihre Lebenserwartung ist fünf bis sieben Jahre niedriger als die der weißen Bevölkerung. Dieses historische Unrecht versucht die kanadische Regierung seit einigen Jahren wiedergutzumachen. Offizielle Entschuldigungen, finanzielle Entschädigung und wirtschaftliche Unterstützung der indigenen Gemeinden sollen die Verbrechen der Vergangenheit ausgleichen. Der kanadische Regierungschef Justin Trudeau entschuldigte sich 2017 offiziell bei den ehemaligen Internatsschülerinnen und Internatsschülern: „Viele wurden schmerzlich vernachlässigt und nicht richtig ernährt, gekleidet oder untergebracht. Andere erlitten körperlichen, psychischen und sexuellen Missbrauch. Alle wurden der Liebe und Fürsorge ihrer Eltern, Familien und Gemeinschaften beraubt. Dies sind die harten Wahrheiten, die Teil der kanadischen Geschichte sind. Dies sind die harten Wahrheiten, denen wir uns als Gesellschaft stellen müssen. Heute stehe ich demütig vor Ihnen, um den ehemaligen Schülern der Lockwood School in Cartwright, der Makkovik Boarding School, der Nain Boarding School, der St. Anthony Orphanage and Boarding School und der Yale School in Neufundland und Labrador eine längst überfällige Entschuldigung anzubieten im Namen der kanadischen Regierung und aller Kanadier.“ https://www.cbc.ca/news/canada/newfoundland-labrador/trudeau-speech-nl-residential-schools-1.4417905 [Stand: 15.03.2024] Minilexikon Assimilierung, die Reservat, das Traumatisierung, die = Anpassung = Gebiet, in dem die Indigenen leben mussten = dauerhafte, seelische Verletzung Die First Peoples in Kanada MUSTER

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