Zentrum Geschichte 3 + E-Book 2025

Revolutionen, Reformen, Widerstand 3.7 Verfassungsstaat und Gewaltentrennung Grundlegende Gedanken der Aufklärung zogen Reformen in den politischen Systemen nach sich, die in vielen Grundzügen bis heute gelten. Durch die Aufklärung wurde die Idee eines absolutistisch herrschenden Monarchen immer stärker abgelehnt. Im Gegensatz dazu traten der einzelne handelnde Mensch und die Überzeugung von einer gestaltbaren Gesellschaft stärker in den Vordergrund. Diese neuen Sichtweisen wirkten sich auch auf die politische Ordnung aus. Herrschaft wurde mehr und mehr als eine Vertragsbeziehung unter gleichberechtigten Bürgern verstanden. In eine solche Vertragsbeziehung mussten sich auch die stellen, die Herrschaft ausübten. Einen Vertrag, der die Handlungsmöglichkeiten in einem Staat festlegt, nennt man eine Verfassung. Ein Verfassungsstaat ist demnach ein Staatswesen, in dem die auch die Staatsgewalt, also die Herrschenden, an die Verfassung gebunden sind. Ihre Herrschaftsmacht wird dadurch begrenzt. Die Verfassung legt fest, welche staatlichen Organe es gibt und was sie tun sollen und dürfen. In einem Rechtsstaat darf die Regierung nur tun, was ihr die Verfassung und die Gesetze erlauben. So soll Willkür in einem politischen System vermieden werden. Zum Rechtsstaat gehört auch eine Gewaltentrennung. Der Verfassungsstaat garantiert die Trennung der staatlichen Gewalten und zumindest ein Mitbestimmungsrecht des Volkes bei der Gesetzgebung, die Kontrolle über ein Parlament sowie die Garantie von Menschen- und Bürgerrechten. In einem Rechtsstaat müssen sich die Machthaber genauso wie alle Bürgerinnen und Bürger an die Gesetze halten. Als eine Demokratie im heutigen Sinn sind die politischen Reformen der Aufklärung des 18. Jahrhunderts jedoch noch nicht zu verstehen. Als freie Individuen, die im Staat eine Recht auf Mitbestimmung hatten, waren meist nur Männer einer gehobenen, bürgerlichen Bildungsschicht mit Besitz gemeint. Ein wichtiger Vordenker der Aufklärung war Charles de Montesquieu (1689–1755). In seinem Werk „Vom Geist der Gesetze“ (1748) beschreibt er die Notwendgkeit einer Gewaltenteilung im Staat: „Es gibt ferner keine Freiheit, wenn die richterliche Gewalt nicht von der gesetzgebenden und der vollziehenden getrennt ist. Wäre sie mit der gesetzgebenden Gewalt verbunden, so würde die Macht über Leben und Freiheit der Bürger willkürlich sein; denn der Richter wäre Gesetzgeber. Wäre sie mit der vollziehenden Gewalt verbunden, so könnte der Richter die Macht eines Unterdrückers besitzen. Alles wäre verloren, wenn ein und derselbe Mensch […] diese drei Gewalten, Gesetze zu geben, die öffentlichen Beschlüsse zu vollziehen und Verbrechen oer Streitigkeiten der Privatleute zu richten, zugleich ausübte.“ Montesquieu, Geist der Gesetze; Deutsch und mit Anmerkungen von Dr. Adolf Ellissen, Leipzig, 1848, S. 41 f. Abb. 23: Der französische Vordenker der Aufklärung, Denis Diderot, im Austausch mit anderen Gelehrten; Darstellung aus einem Werk über die Geschichte Frankreichs, 1923 24. Arbeitet zu zweit. Fasst die Erklärung Montesquieus zur Gewaltenteilung (Randspalte) in eigenen Worten zusammen. 25. Recherchiere im Internet die Bedeutung der Gewaltenteilung im politischen System Österreichs heute (z. B. https://www. demokratiezentrum.org). Erläutere vor diesem Hintergrund, warum der Idee der Aufklärung in politischer Hinsicht eine wichtige Rolle zugeschrieben wird. 26. Diskutiert, aus welchem Grund die Abbildung 23 gewählt wurde, um den Text in der rechten Spalte neben der Abbildung zu erläutern. die Willkür: eine Handlung oder Entscheidung, die von niemandem kontrolliert oder vorhergesehen werden kann und die die Betroffenen in Gefahr bringen kann 3 54 MUSTER

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjg5NDY1NA==