53 Revolutionen, Reformen, Widerstand Die Hep-Hep-Krawalle Von August bis Oktober 1819 gab es in Städten des Deutschen Bundes, aber auch in Wien und Graz schwere gewalttätige Ausschreitungen gegenüber Jüdinnen und Juden. Jüdische Geschäfte wurden zerstört, Jüdinnen und Juden wurden in den Straßen angegriffen, gejagt und eingeschüchtert. In Frankreich sowie im Deutschen Bund hatten Teile der jüdischen Bevölkerung die Bürgerrechte erhalten und damit das Recht, eigene Geschäfte und Handwerksbetriebe zu führen. Den Unruhestiftern war die zusätzliche Konkurrenz nicht recht. Darum wurden antisemitische Vorurteile genutzt, um massiven Druck auf die jüdische Bevölkerung auszuüben. Die jüdische Bevölkerung sollte verunsichert werden, um sie vom nichtjüdischen Markt weiterhin fernzuhalten. Die Ausschreitungen wurden „Hep-Hep-Krawalle“ genannt. Die „Affäre Dreyfus“ Die sogenannte „Affäre Dreyfus“ in Frankreich Ende des 19. Jahrhunderts sorgte weltweit für öffentliches Aufsehen. Der Franzose Alfred Dreyfus war ein jüdischer Militärangehöriger in Offiziersrang – ein Angehöriger des Judentums in einer so hochgestellten Position war in Europa der damaligen Zeit eine Ausnahme. 1894 entdeckt der französische Geheimdienst, dass ein Verräter Informationen an Deutschland lieferte. Sofort wurde Dreyfus ohne Beweise verhaftet und wegen Landesverrat angeklagt. Antisemitisch eingestellte Teile der französischen Bevölkerung glaubten den Vorwürfen leichtfertig. Im Zuge der Auseinandersetzungen zur Dreyfus-Affäre entstand zum Beispiel auch die Zeitschrift „La Libre Parole illustrée“ (franz. „Das illustrierte freie Wort“). Darin wurde der angebliche Verrat von Alfred Dreyfus auf dessen Jüdischsein zurückgeführt. Die Zeitschrift bot antisemitische Karikaturen an und fand breiten Absatz. Antisemitismus zeigt sich immer stärker im täglichen Leben, zum Beispiel auf Spielkarten oder in Kinderspielzeug. Weltweit wurde die Affäre zum Schauplatz der Auseinandersetzungen zwischen den Vertretern des Antisemitismus und ihren Gegnern. Immer wieder kam es auch zu öffentlichen Gewalttaten gegen Jüdinnen und Juden. Alfred Dreyfus wurde von einem Militärgericht zu Degradierung, lebenslanger Haft und Verbannung unter äußerst harten Bedingungen verurteilt. Erst 1906 wurde Dreyfus̓ Verurteilung als Fehlurteil erkannt und aufgehoben. Der Zionismus entsteht Auch der jüdische Journalist Theodor Herzl beobachtete die tiefe Spaltung der Gesellschaft in Zusammenhang mit der Affäre Dreyfus. Der Journalist der „Wiener Neuen Freien Presse“ kam zu der Überzeugung, dass Jüdinnen und Juden niemals in der europäischen Gesellschaft akzeptiert würden. Antisemitismus sei zu stark in der Gesellschaft verwurzelt. In seinem Werk „Der Judenstaat“ von 1896 begründete Herzl die Idee des Zionismus. 1897 organisierte er den ersten Zionistenkongress in Basel. Damit begann die Forderung nach einem völkerrechtlich legalisierten Staat für Jüdinnen und Juden in Palästina. 21. Erläutere, weshalb und in welcher Form der Antisemitismus mit der Haskala wieder aufkam. 22. Erläutere, weshalb Theodor Herzl zu der Überzeugung kam, dass Jüdinnen und Juden in Europa niemals echte gesellschaftliche Akzeptanz finden könnten. 23. Erörtere, inwiefern die Rassenlehre dem Kolonialismus genützt hat. Abb. 22: Zeitgenössische Darstellung zu den antisemitischen „Hep-HepKrawallen“ in Frankfurt am Main, 1819; Radierung, Historisches Museum, Frankfurt am Main „Hep hep!“: Eigentlich ein Ausruf von Hirten, um Ziegenherden vor sich herzutreiben; in diesem Zusammenhang gebraucht bedeutet der Ausruf eine zusätzliche Abwertung und Demütigung gegenüber Jüdinnen und Juden die Affäre, die Affären: ein skandalöser Vorfall die Degradierung, die Degradierungen: die Herabstufung im militärischen Rang die Verbannung: die Umsiedlung einer ver- urteilten Person, oft an einen abgelegenen Ort mit harten klimatischen Bedingungen der Zionismus: die Forderung nach einem jüdischen Nationalstaat in Palästina, wo schon um 1250 v. Chr. israelitische Volksstämme siedelten 3 MUSTER
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