26 Die Frühe Neuzeit Der Nationalsozialismus – humanitärer Tiefpunkt In der Zeit des Nationalsozialismus wurden Menschen mit Behinderungen als „unwertes Leben“ bezeichnet. Zuerst wurden Frauen und Männer unter Zwang sterilisiert. Später gingen die verantwortlichen Täterinnen und Täter des Nationalsozialismus dazu über, Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen systematisch zu ermorden. Schätzungen zufolge wurden im Nationalsozialismus mindestens 200000 bis 300000 Menschen mit Behinderung ermordet. In Wien wurden aus der Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof“ fast 3 200 Menschen in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz gebracht, wo diese getötet wurden. Insgesamt wurden in Hartheim über 18000 Menschen mit Behinderungen ermordet. Auf dem Gelände der Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof“ wurde nach der Ermordung von zwei Dritteln der Patientinnen und Patienten die sogenannte „Jugendfürsorgeanstalt Am Spiegelgrund“ errichtet. Dort wurden Kinder und Jugendliche untergebracht, die als krank, behindert oder nicht erziehbar galten. Sie wurden dort gequält, schwer misshandelt und für medizinische Versuche missbraucht. Mindestens 789 betroffene Menschen wurden ermordet. Inklusion Die Sicht auf Menschen mit Behinderungen und damit auch die Behandlungsmethoden änderten sich erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Man entwickelte Medikamente und Behandlungsmethoden, die die Bedürfnisse der Betroffenen stärker respektierten. Auch gibt es seither verstärkte Bemühungen, Menschen mit Behinderungen gleichgestellt am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen und nicht mehr getrennt von Menschen ohne Behinderungen in speziellen Einrichtungen unterzubringen. Das beinhaltet zum Beispiel, dass öffentliche Gebäude barrierefrei zugänglich sind. Auch in Schulen oder in der Arbeitswelt sollen Menschen mit Behinderungen möglichst gleichgestellt Zugang finden. Man spricht in diesem Zusammenhang von Inklusion. unwert: wertlos; unwürdig zu existieren sterilisieren: durch einen operativen Eingriff fortpflanzungsunfähig machen Abb. 27: Mahnmal für die Opfer vom Spiegelgrund; Lichtstelen für jedes einzelne ermordete Kind beginnen in der Dämmerung zu leuchten; Konzept von Tanja Walter; Errichtung 2003 34. Fasse wichtige Schritte in der Entwicklung der Sichtweise auf Menschen mit Behinderung seit der Antike bis heute in eigenen Worten zusammen. 35. a) Vergleicht die Einstellung gegenüber Sexualität (S. 23) und Menschen mit Behinderung (S. 25) zur Zeit des christlichen Mittelalters. Arbeitet heraus, welche Gemeinsamkeiten ihr erkennen könnt. b) Diskutiert mögliche Gründe für die Gemeinsamkeiten, die ihr herausgearbeitet habt. 36. Interpretiert die Gestaltung des Mahnmals für die Opfer vom Spiegelgrund (Abb. 27) in Bezug auf die wesentlichen Aussagen. Beachtet besonders den Einsatz der Lichtstelen und deren Anordnung. 37. Nehmt Stellung, ob Menschen mit Behinderung heute wirklich in allen Bereichen gleichgestellt sind. 1 Es hat „Tradition“, Menschen mit Behinderung anders zu behandeln, obwohl sie per Gesetz gleichgestellt sind. Das beginnt im Kindergarten. Man sollte auch mit Behinderung mit anderen Kindern aufwachsen. Doch es werden schon in jungen Jahren Sonderwelten geschaffen, so als wäre der natürliche Lebensraum für Menschen mit Behinderung andere Menschen mit Behinderung. Diese Ungleichheiten sind keine Naturgesetze, man könnte Geld in die Hand nehmen und das alles ändern. Interview mit der österreichischen Behindertenanwältin Christine Steger, 20. März 2023, https://www.kleinezeitung.at/politik/ innenpolitik/6265706/Behindertenanwaeltin-Steger_Mein-Unfall-hat-mich-radikalisiert (02.04.2024) MUSTER
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