91 6 Migration vom 19. Jahrhundert bis heute 6.3 Migration innerhalb von Österreich-Ungarn Viele der Menschen, die ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in die USA emigrierten, konnten für sich auch dort keine sichere Lebensgrundlage aufbauen. Viele Menschen mussten unter schrecklichen Bedingungen zum Beispiel in Fabriken oder Schlachthöfen arbeiten. Für viele Menschen gab es auch keine Möglichkeiten, die englische Sprache zu erlernen. Dadurch fanden sie sich nur schlecht in ihrer neuen Umgebung zurecht. Auch die Wirtschaft wurde in den USA zwischen 1908 und 1911 schwächer. Dadurch verloren viele Menschen ihre Arbeitsplätze. Zwischen 1908 und 1913 zogen 38,7 Prozent der Auswanderinnen und Auswanderer wieder zurück in die österreichischungarische Monarchie. Die Menschen begannen immer mehr, innerhalb der Habsburgermonarchie nach besseren Lebensbedingungen zu suchen. Eine Migrationsbewegung innerhalb eines Landes nennen wir Binnenmigration. Um 1910 wechselten rund 20 Prozent der Bevölkerung innerhalb von Österreich-Ungarn ihren Lebensmittelpunkt. Vor allem aus den ärmeren östlichen Teilen der Monarchie wie Böhmen und Mähren zogen viele Menschen in die Großstädte wie Prag, Budapest oder Wien. Zwischen 1870 und 1910 verdoppelte sich dadurch die Bevölkerung in Wien von einer auf zwei Millionen Menschen. 7. Erkläre deiner Sitznachbarin oder deinem Sitznachbarn den Begriff „Binnenmigration“. 8. Fasse zusammen, aus welchen Gründen viele Emigrantinnen und Emigranten aus den USA in ihre Heimatländer zurückkehrten. 9. Diskutiert mögliche Gründe, warum heute Menschen, die nach Österreich eingewandert sind, in ihre Heimat zurückkehren möchten. [...] Die Ziegelarbeiterin von damals mußte schon zeitlich früh zur Arbeit. Um 6 Uhr früh wurde schon mit dem Ziegelverladen, um 5 Uhr, später um 6 Uhr früh, wurde mit dem Ziegelschlagen begonnen. Selbstverständlich musste die Frau vorher alle notwendigsten häuslichen Arbeiten verrichten, den älteren Kindern Weisungen erteilen, den jüngeren Kaffee zu kochen, sie anzuziehen und sie dann rechtzeitig auf den Schlagplatz zu führen, damit sie, bevor sie noch in die Schule gehen, Ziegel aufstellen, Sand herrichten und dergleichen Nebenarbeiten verrichten. Nicht genug, dass die Ziegelarbeiterin 16, später 10 Stunden im Tag gearbeitet hat, mußte sie nach Arbeitsschluß bis spät in die Nacht hinein weiter zu Hause arbeiten, Wäsche waschen, das Mittagessen für den nächsten Tag vorbereiten und die dringendsten Flickarbeiten erledigen. Marie Toth: Schwere Zeiten. Aus dem Leben einer Ziegelarbeiterin. Böhlau, Wien, 1992, S. 30 die Lebensgrundlage: das Leben + die Grundlage materielle Absicherung, um die Grundbedürfnisse befriedigen zu können sich zurechtfinden: sich orientieren können, Zusammenhänge erkennen der Ziegel, die Ziegel: rot-brauner Baustein aus gebranntem Ton zum Bau von Mauern abwertend: respekt- los, abschätzig Matthias Sindelar wurde 1903 in Mähren geboren. Seine Familie war arm und übersiedelte wie viele Menschen aus Böhmen und Mähren nach Wien. Sein Vater arbeitete dort in einer Ziegelfabrik. Diese Arbeit war sehr schlecht bezahlt. Die böhmischen und mährischen Arbeiterinnen und Arbeiter wurden von der Wiener Bevölkerung oft abwertend als „Ziegelböhm“ bezeichnet. In den 1920erJahren gelang Matthias Sindelar der Aufstieg zu einem der erfolgreichsten Fußballer seiner Zeit. Abb. 6: Der Fußballer Matthias Sindelar (rechts), Foto, um 1932 MUSTER
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