Karibu24 Did Komm. Sprach-AH 3

22 © Westermann Überschrift können mehrteilige Verbformen korrekt geäußert werden (trennbare Verben, Separierung finiter und infiniter Verbteile: „Mama hat gesagt …“, „Ich bin nach Hause gegangen.“) Auf der vierten Stufe wird die SubjektVerb-Objekt-Stellung aufgebrochen. Die mögliche Voranstellung von Adverbien erfolgt („Dann hat er das gesagt.“, „Heute Morgen habe ich verschlafen.“). Erst auf der höchsten Stufe gelingt es dem Zweitsprachenlernenden, komplexe Nebensätze mit Verbletztstellung zu verbalisieren („... weil er das gesagt hat“, „... dass die Katze schwarz ist.“). Das Stufenmodell verdeutlicht die grammatischen Schwierigkeiten beim Zweitspracherwerb insbesondere bei der Verbstellung und dem Satzbau. Darüber hinaus zeigt es sich, dass für viele sprachschwache Kinder die korrekte Verwendung grammatischer Strukturen der deutschen Sprache eine Herausforderung darstellt. Sichtbar wird dies beispielsweise bei der Deklination von Nomen und Adjektiven oder bei der grammatischen Anpassung von Wörtern (bei Genus, Kasus und Numerus) im Allgemeinen. Ebenfalls ist die richtige Verwendung von Pronomen, Artikeln und Präpositionen eine Herausforderung. Probleme ergeben sich oft bei Funktionswörtern (Partikel, Bindewörter), deren semantische Erschließung aufgrund der Abstraktheit Schwierigkeiten bereitet. Für Kinder mit Türkisch als Erstsprache ist z. B. die richtige Verwendung und der Einsatz von Personalpronomen besonders schwierig, da diese in der genannten Sprache kaum verwendet werden und die konjugierte Verbform allein auf die Person verweist. Wichtig ist es daher, im Unterricht Zeit für Wiederholungsschleifen und Übungsrituale einzurichten. Viele der genannten Schwierigkeiten sind nicht durch einmaliges Erklären ausgemerzt, sondern bedürfen kontinuierlicher Anwendung sowie individueller Übungsmöglichkeiten. In freien Übungsphasen kann daher bewusst an den Stolpersteinen gearbeitet werden: ‧‧ Spiele zur Artikelbildung ‧‧ Unterstützung des Sprachverständnisses durch Visualisierungen (z. B. bei Pronomen, Präpositionen usw.) ‧‧ Ritualisierung selbstständiger Wörterbucharbeit (zum Nachschauen und Abprüfen von Verb- und Partizipformen) ‧‧ Frage- und Antwortspiele zur wiederholenden Realisierung der Verbstellung ‧‧ Führen eigener Wörterlisten / -kästen / -hefte, in denen individuelle Stolperfallen festgehalten werden ‧‧ Überarbeitung selbst geschriebener Texte unter dem Fokus eines besonderen grammatischen Inhalts Für sprachschwache Kinder, die grundsätzlich noch Mühe mit der korrekten Schreibweise haben, ist es sinnvoll, sie nicht mit einer allgemeinen rechtschriftlichen Überarbeitung ihrer Texte zu überfordern, sondern je nach Lernstand auf ein bestimmtes Phänomen, an dem sie gerade üben, aufmerksam zu machen (z. B. die richtige Verwendung von Artikeln, die richtige Beugung des Verbs oder die Großschreibung der Nomen). Dies festigt die bereits gelernten Inhalte und frustriert die Kinder nicht wegen der Fülle der Korrekturen. 5.4.2.4 Pragmatik Pragmatik meint die Fähigkeit, sprachliche (Laute, Wörter, Sätze) und nicht sprachliche Zeichen (Gestik, Mimik) in der Interaktion so einzusetzen und zu verstehen, wie es die jeweilige Situation erfordert (vgl. Deutscher Bundesverband der akademischen Sprachtherapeuten). Sie beinhaltet sämtliche Äußerungen des sprachlichen Handelns, wie jemanden bitten oder ihm danken, jemanden begrüßen und verabschieden, jemanden loben, verurteilen, jemandem etwas vorwerfen, Vorwürfen widersprechen oder sich entschuldigen (vgl. Knapp 2011). Während auf den sprachlichen Ebenen wie Phonologie und Grammatik von richtig oder falsch ausgegangen wird, werden auf der Ebene der Pragmatik sprachliche Äußerungen als angemessen oder als unangemessen bewertet. Die Entwicklung pragmatischer Kompetenzen steht in enger Wechselbeziehung mit der Ausbildung anderer sprachlicher Kompetenzen, etwa der Grammatik. Entsprechende Seiten dazu finden sich etwa im Karibu Arbeitsheft Deutsch als Zweitsprache. Die Schwierigkeiten im Argumentieren oder Erzählen fallen nicht immer unmittelbar auf. Kinder mit einer pragmatischen Störung können in der Kommunikation häufig bestimmte Symptome zeigen, wie geringer Blickkontakt, reduzierte Gestik und Mimik, häufige Echolalien (Nachsprechen), geringe Aufmerksamkeit (Zuhören). Bei der Förderung pragmatischer Fähigkeiten ist zu berücksichtigen, dass Kinder sich im Bereich der Pragmatik noch stark in der Entwicklung befinden, d. h., ihre pragmatischen Fähigkeiten verändern sich fortlaufend. Eine wesentliche pragmatische Kompetenz, die im schulischen Kontext von großer Relevanz ist, ist das Erzählen. Kinder lernen es nur durch das aktive Erzählen. Dafür benötigen sie ein Gegenüber, das zum Erzählen anregt, zur Weiterführung der Geschichte beiträgt, aufzeigt, wie man eine Geschichte ausgestaltet und wie man ein Ereignis evaluiert. Im Sinne der Erzählförderung sollte eine Vielzahl solcher Erzählsituationen (z. B. im Klassenverband, in Kleingruppen, aber auch in Einzelarbeit) geschaffen werden. Mündliches und schriftliches Erzählen können sich gegenseitig unterstützen. So ist es sinnvoll, eine Geschichte zunächst zu erzählen und erst im Anschluss zu verschriften. Kinder erleben hier einen Vorteil, da die Handlungslogik bereits ausgearbeitet ist. Da das mündliche Erzählen weniger komplex ist als das schriftliche, bietet es eine gute Vorbereitung, die letztendlich allen Kindern zugutekommt. Deutsch als Zweit-/ Zielsprache

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