17 © Westermann Untertitel ‧ S. XX Überschrift 5 Deutsch als Zweit- / Zielsprache Vor dem Hintergrund von zunehmenden globalen Prozessen werden die Klassenzimmer auch durch unterschiedliche kulturelle Hintergründe der Schülerinnen und Schüler bereichert. Aus diesem Grund ist es notwendig und sinnvoll, schon früh den Blick der Kinder auf andere Sprachen und Kulturen zu lenken und den Mehrwert durch Mehrsprachigkeit zu erkennen. Verschiedene Sprachen und Kulturen, Fragen nach (sozialer oder kultureller) Zugehörigkeit, (kulturellem) Selbstverständnis und sprachlichen Fähigkeiten gehören schon längst für viele Kinder in Deutschland zum Alltag in Schule und Familie. Für die Lehrkräfte bedeutet dies, dass sie bei der Planung und Durchführung ihres Unterrichts auch die Mehrsprachigkeit einiger ihrer Schülerinnen und Schüler berücksichtigen müssen. Viele Kinder, gerade jene, deren Familien in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland leben, werden im alltäglichen sprachlichen Umfeld (auf dem Pausenhof, in der Freizeit) als unauffällig erlebt. Oftmals treten die sprachlichen Probleme dieser Kinder erst im schulischen Kontext auf, beispielsweise wenn sie sich im Unterrichtsgespräch konstruktiv auf abstrakter Ebene beteiligen oder sich in schriftlichen Texten adäquat und altersgerecht ausdrücken müssen. Während sich Sprecherinnen und Sprecher in einer alltagssprachlichen Situation auf einen gemeinsamen Kontext im Hier und Jetzt beziehen, bezieht sich Bildungssprache (Unterrichtssprache) oft auf Unterrichtssituationen, in denen sprachlich komplexe Inhalte ausgedrückt (aufgeschrieben) werden müssen und die oft durch eine räumlich-zeitliche Distanz geprägt sind. Die sprachlichen Strukturen (Satzbau, Fachvokabular, Zeitformen) sind komplexer und erfordern permanente Übung. Hieran wird deutlich, dass die Erweiterung und Förderung bildungssprachlicher Fähigkeiten nicht allein im Deutschunterricht abgehandelt werden können, sondern als durchgängiges Prinzip in allen Unterrichtsfächern und Jahrgangsstufen kontinuierlich erweitert und strukturiert aufgebaut werden müssen. 5.1 Begriffsbestimmung Die Sprache, die ein Kind als Erstes erwirbt, wird vorzugsweise als Erstsprache betitelt. Erwirbt ein Kind von Geburt an mehr als eine Sprache, wird in der Forschung von früher Zwei- oder Mehrsprachigkeit bzw. vom simultanen Erwerb mehrerer Sprachen gesprochen. Da für einige Schülerinnen und Schüler die Unterrichtssprache nicht gleichzeitig die Erstsprache ist, die sie zu Hause sprechen, wird hier Unterricht in der Landessprache als gebräuchlicher Terminus vorgeschlagen (vgl. Jeuk 2021). 5.2 Einflussfaktoren auf den Zweitspracherwerb Generell erweist es sich für die Forschung als schwierig, konkrete Faktoren zu beobachten, die den Zweitspracherwerb beeinflussen. Jeuk (2021, S. 26 / 27) wählt, in Anlehnung an die Kognitionspsychologie, folgende Einteilung: ‧‧ Motivation oder Antrieb (motivation): Das Interesse bzw. der persönliche Antrieb, eine Zweitsprache zu erlernen. Motivation wird häufig durch positive Beziehung zu anderen Sprecherinnen und Sprechern der Zielsprache bzw. positive Lernerfahrungen hergestellt. ‧‧ Fähigkeit oder individuelle Merkmale und Sprachvermögen (ability): Dieser Faktor schließt die Intelligenz, das Sprachwissen, Lernerfahrungen, vorhandene Lernstrategien sowie das Alter ein. ‧‧ Gelegenheit oder Zugang (opportunity): Hierzu gehören vor allem die Kommunikationsbedingungen sowie die Kommunikations- und Kontaktmöglichkeiten, die den Lernenden vorliegen. (Jeuk 2021, S. 26 / 27). Beachtet werden muss weiterhin, dass sowohl für Kinder mit Deutsch als Erst-, aber auch als Zweitsprache gilt: Viele äußere und innere Faktoren nehmen Einfluss auf den individuellen Spracherwerb eines jeden Kindes. Jedes Kind hat seinen eigenen Rhythmus im Spracherwerbsprozess und verweilt unterschiedlich lang auf zu durchlaufenden Stufen. Daher ist es bei Störungen des Sprachentwicklungsprozesses notwendig, das einzelne Kind genau im Blick zu haben, um konkrete Hilfestellung zu geben und individuelle Fördermaßnahmen abzuleiten. 5.3 Durchgängige Sprachbildung Um das Kind so intensiv und gleichzeitig so natürlich wie möglich zu unterstützen, hat sich die Idee der durchgängigen Sprachförderung durchgesetzt. Was bedeutet es aber nun in der Praxis für die jeweiligen Schulen und Schulformen, eine fächerübergreifende, schulintern geförderte durchgängige Sprachbildung umzusetzen? Bei der durchgängigen Sprachbildung wird zunächst zwischen vertikalen und horizontalen Schnittstellen unterschieden: Die vertikale Schnittstelle verweist auf eine durchgängige Sprachbildung über die Klassenstufen und Übergänge verschiedener Bildungsinstitutionen hinweg. Übergänge (Kindergarten/Grundschule, Grundschule / Sekundarschule u. a.) sind immer Stolperfallen für Kinder mit einer schwächeren Lern- und Sprachbiografie. Die Sprachbiografie der Kinder muss durchgängig überprüft, dokumentiert und diagnostiziert werden. Die Lerndokumentation bzw. das durchgängige Feststellen des Lernstandes spielt bei der durchgängigen Sprachbildung eine wichtige Rolle. Dafür müssen gemeinsame Kriterien bzw. Beobachtungsbögen ausgearbeitet und verwendet werden. Auch gemeinsame schul- bzw. Deutsch als Zweit-/ Zielsprache
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