15 © Westermann Untertitel ‧ S. XX Überschrift Das sinnvolle Zusammenspiel von frontalen sowie offenen und teilgeöffneten Phasen ist bewährte Unterrichtspraxis. Diese Kombination der Phasen ist im inklusiven Unterricht zentral: Sie ermöglicht gemeinsame und individuelle Lernsituationen. Gemeinsame Lernphasen sind unabdingbar, damit inklusiver Unterricht nicht zu einem Parallelunterricht wird, in welchem die Kinder isoliert voneinander lernen. Es ist wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler in wechselseitige Prozesse der Interaktion treten (vgl. Espelage 2019). Gemeinsame Unterrichtsphasen können sinnvollerweise individualisierte Lernphasen einrahmen. Wird regelmäßig nach diesem Muster verfahren, entsteht durch Wechsel zwischen gemeinschaftlichen und individuellen Lernphasen eine wiederkehrende Struktur, die den Kindern Sicherheit und Orientierung vermittelt (vgl. Steinig 2013, S. 12). 4.1.1 Inklusive Unterrichtsgespräche Manchen Kindern fehlen sowohl die sprachlich-kommunikativen als auch die inhaltlichen Grundlagen, um sich an Gesprächen im Plenum zu beteiligen. Hier bietet sich eine Unterstützung bspw. durch Bilder an. Doch dies löst das Problem, dem Gesprächsverlauf in einer Gruppe nicht ausreichend folgen und adäquat (re-)agieren zu können, noch nicht ausreichend auf. Daher kann es sinnvoll sein, dass Unterrichtsgespräche mit einzelnen Kindern individuell vorbereitet werden oder der Austausch vorwiegend in überschaubaren Kleingruppen stattfindet (vgl. Musenberg / Thäle 2022, S. 9). Hierfür bieten sich unterschiedliche kooperative Methoden an, z.B. die Methode Ich – Du – Wir, die in den Karibu-Materialien ab Klasse 1 eingeführt wird. 4.1.2 Ich – Du – Wir Die Methode Ich – Du – Wir ist besonders geeignet für den Austausch im inklusiven Unterricht. Zuerst denkt jedes Kind selbst über ein Thema / eine Fragestellung nach. Im Anschluss tauscht es sich mit einem anderen Kind darüber aus. Erst anschließend folgt das Unterrichtsgespräch im Klassenverband. Hier haben leistungsschwächere Kinder die Möglichkeit, sich abzusichern und vom Wissen des anderen Kindes zu profitieren, sodass sie dann mit einer anderen Ausgangsposition an einem Unterrichtsgespräch teilnehmen können (vgl. Musenberg / Thäle 2022, S. 10). 4.1.3 Partnerschaftliches Lernen Im Unterricht mit heterogenen Lerngruppen ermöglichen kooperative Lernformen zieldifferentes Lernen und gemeinsame Lernerfahrungen zugleich (vgl. Espelage 2019, S. 17). Beim partnerschaftlichen Lernen (im Gegensatz zur Partnerarbeit, die lediglich die Sozialform darstellt) arbeiten Kinder in den Rollen von Tutor / Tutorin und Tutand / Tutandin miteinander. Ein Kind verfügt auf einem Gebiet über mehr Wissen oder Fähigkeiten als ein anderes und kann es deshalb bei seinem Lernprozess unterstützen. In zahlreichen Untersuchungen konnte immer wieder die hohe Effektivität des partnerschaftlichen Lernens gezeigt werden. Nicht nur der Tutand / die Tutandin, auch der Tutor / die Tutorin profitiert vom sogenannten „Peer-Teaching“, der Tutor / die Tutorin sogar oft noch stärker, denn der- oder diejenige, der / die etwas vermittelt, wiederholt nicht nur sein / ihr Wissen, sondern verknüpft es im Gespräch auf vielfältige Weise und lernt, dieses anzuwenden. Kinder kommen in diesem intensiven Austausch oft schneller zu Erkenntnissen, als wenn sie in der Großgruppe der Lehrkraft zuhören. Für partnerschaftliches Lernen ist darauf zu achten, dass nicht immer nur die leistungsstärkeren Kinder als Tutoren / Tutorinnen arbeiten, sondern auch leistungsschwächere diese Rolle übernehmen. Dies stärkt ihr Selbstbewusstsein und sie profitieren kognitiv, wenn sie anderen Kindern etwas erklären können (vgl. Steinig 2013, S. 10 ff). 4.2 Differenzierung Inklusiver Unterricht hat die Diskussion um Formen innerer und / oder äußerer Differenzierung wieder aufleben lassen. Die äußere Differenzierung – die Arbeit an verschiedenen Gegenständen – wurde bisher als Form der Ausgrenzung abgelehnt. In der modernen inklusiven Pädagogik entscheiden hingegen die Bedürfnisse des Kindes über die Form der Differenzierung. Lernende sollen ausgehend von ihrer Bedarfslage individuelle Zuwendung und Förderung erhalten. Je nach vorliegendem Förderbedarf gehört dazu auch die Arbeit an individuellen Kompetenzen oder Gegenständen. Beide Differenzierungsformen sind Bestandteil eines gelingenden inklusiven Unterrichts. Sie basieren auf der genauen Erfassung von Lernausgangslagen, Lernzielen sowie den bevorzugten Lernstrategien. Diese gilt es zu finden und in Form von unterschiedlichen Lernzugangswegen zu nutzen (vgl. Reich 2014, S. 207). Lernzugangswege, die einen Lerninhalt handelnd oder sinnlich erfahrbar werden lassen, haben sich als besonders lernförderlich erwiesen. Das sogenannte „Lernen mit allen Sinnen“ ist besonders für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf von großer Bedeutung. Es ist wichtig, immer wieder visuelle, akustische oder haptische Informationen in den Unterricht einzustreuen und verschiedene Medien einzubeziehen (z.B. konkrete Gegenstände, Bilder, Filme), um das Verstehen zu erleichtern. Zum Beispiel dient ein intensiver körperlicher Bezug zur silbischen Gliederung der Sprache als wesentliche Voraussetzung, um die Rechtschreibung zu erlernen. Das Festigen der Silbenstruktur kann auch helfen, die Struktur von Sprache zu verstehen. Karibu setzt hier an: Das Schwingen von Silben ist ab Klasse 1 ein fester Bestandteil des Unterrichts. Inklusion und Differenzierung
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