290 M 1: Charles Darwin, Evolutionsbiologe (1809–1882). Holzstich. Imperialismus: Europas globaler Machthunger 7.1 Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts zerfielen die Kolonialreiche Portugals, Spaniens, Großbritanniens und Frankreichs: Ihre Kolonien in Nord- und Südamerika hatten ihre Unabhängigkeit erkämpft. Zum Ende desselben Jahrhunderts unternahmen die Staaten Europas einen neuen, brutaleren Versuch, weite Teile der Welt unter ihre Kontrolle zu bringen. Wirtschaftliche Krise Die Industrialisierung schritt im 19. Jh. rasch voran. In den 1870er-Jahren stoppte das Wachstum allerdings. Die Industriestaaten stürzten in eine wirtschaftliche Krise, die „Gründerkrise“: Die Fabriken produzierten zu viele Güter, die keine Käuferinnen oder Käufer mehr fanden. Neben den sozialen Spannungen war ein beginnender Rohstoffmangel eine weitere Folge der raschen Industrialisierung. Die Lösungen für diese Probleme wurden von den europäischen Regierungen außerhalb der eigenen Grenzen gesucht. Durch die militärische Eroberung, deren Androhung oder die Investition von Kapital sicherten sie sich Einfluss über andere Länder. Von diesen erhofften sie sich billige Rohstoffe, Arbeitskräfte und neue Absatzmärkte. Die abhängig gewordenen Gebiete sollten außerdem zu Siedlungsgebieten werden. Technologische Voraussetzung Die technischen Innovationen (s. 6.8) erlaubten etwa, weit entfernt liegende Gebiete erreichen und wirtschaftlich ausbeuten zu können. Neben dem wirtschaftlichen Profit war der Besitz von Kolonien in der internationalen Politik des 19. Jhs. auch mit Prestige verbunden. Die Staaten Europas, die als Großmacht gelten wollten, versuchten, Stützpunkte rund um den Globus zu erobern, um ihre politischen Interessen zu schützen. Weltanschaulicher Aspekt Charles Darwins (M 1) Theorie über das „Survival of the Fittest“ (Überleben des am besten angepassten Individuums) in der Tierwelt war damals überaus populär. Imperialistinnen und Imperialisten missbrauchten diese. Sie kombinierten sie mit rassistischen bzw. nationalistischen Ideen, die von der Überlegenheit der eigenen Nation bzw. „Rasse“ ausgingen, und leiteten daraus die Überzeugung ab, dass stärkere Staaten ganz selbstverständlich schwächere beherrschen sollten (Sozialdarwinismus). Nationalismus und Rassismus waren damals verbreitete Ideologien. Dahinter steckt der Glaube, dass die jeweils eigene Nation bzw. „Rasse“ anderen überlegen sei. Die „weißen“ Europäerinnen und Europäer entwickelten daraus ein kulturelles Überlegenheits- und Sendungsbewusstsein: Die als „primitiv“ und „wild“ wahrgenommenen Nicht-Europäerinnen und -Europäer mussten zivilisiert, d. h. europäisiert und christianisiert werden. Indigenen Kulturen wurde dabei kein Wert beigemessen. Sie wurden rücksichtslos zerstört. Die christlichen Kirchen beteiligten sich an den „Zivilisierungsmissionen“ genauso wie die Wissenschaften: Geographinnen und Geographen erstellten Karten, um indigene Gesellschaften beherrschbar zu machen. Anthropologinnen und Anthropologen führten menschenunwürdige Versuche an Indigenen durch, um deren „rassische“ Unterlegenheit zu beweisen. Rasse, die Umstrittene Bezeichnung für eine Gruppe von Individuen derselben Art. Bei Tieren gebräuchlich, bei Menschen überholt. Hier wird eher „Volksgruppe“ oder „Ethnie“ verwendet. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 MUSTER
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