276 Österreichische Perspektive – Zentraleuropa nach 1848 6.13 In der Restaurationszeit führte Staatskanzler Metternich die Habsburgermonarchie in autoritärem Stil. Er unterdrückte jede liberale Idee. Auch des- halb war er das prominenteste Opfer der Revolution von 1848. Der liberale Verfassungsstaat lag nach wie vor in weiter Ferne. 1848: Metternichs Sturz Bereits am ersten Tag der Revolution, dem 13. März, trat der früher als „Kutscher Europas“ bezeichnete Metternich zurück und floh ins Exil nach London. Die Entlassung des verhassten Kanzlers war die zentrale Forderung des Aufstands gewesen. Auch Kaiser Ferdinand I. musste abdanken und einem jungen, neuen Gesicht Platz machen: Der achtzehnjährige Franz Joseph bestieg Ende 1848 den Thron und ließ die Revolution in Prag und Wien blutig beenden. Feldmarschall Radetzky (M 1) schlug mit seiner Armee die Erhebung in Norditalien nieder, und zur Beendigung des ungarischen Aufstands wurden die Truppen des russischen Zaren Nikolaus I. zur Hilfe gerufen. Danach etablierte Franz Joseph ein neoabsolutistisches Regime, das sich auf die Armee und einen gehorsamen Beamtenapparat sowie die römisch-katholische Kirche stützte, die weitreichende Privilegien (etwa die Schulaufsicht) erhielt. Der lange Weg zur Verfassung Eine weitere Forderung von 1848 war die Festschreibung einer Verfassung gewesen. Deshalb musste Franz Joseph, der eigentlich vom Gottesgnadentum geprägt war, im März 1849 eine „oktroyierte“ Verfassung erlassen, in der er den Schutz der bürgerlichen Grundrechte garantierte. Nach der Niederschlagung der Aufstände hob er diese Verfassung mit dem „Sylvesterpatent“ vom 31. Dezember 1851 aber wieder auf. Erst zehn Jahre später wurde mit dem „Februarpatent“ von 1861 wieder eine Verfassung erlassen. Sie sah die Aufteilung der Gesetzgebung zwischen dem Kaiser und einem Reichstag aus zwei Abgeordnetenkammern vor, wurde aber von den ungarischen Volksvertretern nie akzeptiert. Sie lehnten eine gemeinsame Verfassung für den habsburgischen Gesamtstaat ab und verlangten Autonomie. So konnte die sogenannten „Dezemberverfassung“ von 1867 nur für die nicht-ungarischen Gebiete des Habsburgerreichs in Kraft treten. Darin waren die allgemeinen Grundrechte, Bestimmungen über die Gesetzgebung, die Regierungsgewalt und die richterliche Gewalt sowie die Errichtung eines Reichsgerichts festgeschrieben. Die „Dezemberverfassung“ sollte bis zum Ende der Monarchie 1918 ihre Gültigkeit behalten. Teile davon sind auch heute noch in der österreichischen Bundesverfassung zu finden. Ausgleich und Krise Die Verfassungsfrage konnte erst nach dem sogenannte „Ausgleich“ vom März 1867 gelöst werden. Endlich wurde das Verhältnis zwischen dem Königreich Ungarn und dem Kaiserreich Österreich geregelt. Finanz-, Außen- und Verteidigungspolitik sollten nun gemeinsam geführt, alle anderen Politikbereiche (etwa Verkehr, Bildung oder Handel) getrennt behandelt werden. Franz Joseph regierte die beiden Reichsteile in Personalunion. Seine Zustimmung zum „Ausgleich“ ermöglichte ihm die Krönung mit der ungarischen Krone, was ihm zuvor verweigert worden war. Allerdings wurden im nun anbrechenden „Dualismus“ von Österreich und Ungarn die nationalen Forderungen der slawischen Völker im Habsburgerreich nicht beachtet, was in der Forschung lange Zeit als Hauptgrund für das Zerbrechen der Donaumonarchie 1918 gesehen wurde. M 1: Reiterstandbild von Feldmarschall Joseph Graf Radetzky von Radetz am Stubenring in Wien, Foto, 1912. Neoabsolutismus, der an den Absolutismus angelehnte Regierungsform, ohne Verfassung und Parlament oktroyieren erlassen, vorschreiben 5 10 15 20 25 30 35 60 65 70 75 40 45 50 55 MUSTER
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