Das 19. Jahrhundert 1. Arbeiten Sie aus dem Interview von Oliver Rathkolb (M 3) die Berührungspunkte zwischen dem Radetzky-Marsch und dem Nationalsozialismus heraus. 2. Fassen Sie die Kritik zusammen, die in dem Text aus der „Berliner Zeitung“ (M 4) geübt wird. 3. Nehmen Sie Stellung zu der im Text angesprochenen Distanzierung des Orchesters. 4. Diskutieren Sie die Tatsache, dass die Philharmoniker ein Musikstück im Programm führen, das an einen militärischen Befehlshaber erinnert. 275 M 4: In der „Berliner Zeitung“ wird 2019 der Umgang der Philharmoniker mit dem „Radetzky-Marsch“ kritisiert: Er gehört zum Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker seit je dazu: Der „Radetzky-Marsch“ von Johann Strauß (Vater). Traditionell steht er am Schluss, traditionell klatscht das Publikum mit, traditionell leitet der jeweils eingeladene, weltberühmte Dirigent das Klatschen an. Diesem Brauchtum sieht man als Preuße etwas befremdet zu, intellektuell eingestellte Dirigenten wie Nikolaus Harnoncourt oder Franz Welser-Möst mochten und mögen das Klatschen gar nicht, konnten es aber auch nicht verhindern. […] Das Befremden wächst noch, wenn man erfährt, dass die von den Wienern gespielte Orchesterfassung des „Radetzky-Marschs“ von einem strammen Nationalsozialisten namens Leopold Weninger stammt. Ausgerechnet seit 1946 liegt diese Fassung des 1940 gestorbenen Komponisten von Nazi-Musik auf den Notenpulten. Wie kann das sein? […] Das ist Grund genug, jetzt endlich ein neues, ihrer langen Spielpraxis entsprechendes Material zum Druck zu befördern. Man begreift dies als „Distanzierung“ von Weninger, der seit 1932 Parteimitglied war, Werke wie „Jung-Deutschland – Marsch-Potpourri“ oder „Die Fahne hoch. Ein Melodram aus der Zeit der deutschen Schicksalswende“ schuf und Sammlungen namens „Sieg Heil! 43 SA-Marsch- und Kampflieder“ herausgab. Weningers Namen wird man auf dem neuen Material nicht finden. Und da seine Fassung nur eine, wenn auch ästhetisch bedenkliche Station in der Bearbeitungsgeschichte des „Radetzky-Marschs“ darstellt, ist das auch in Ordnung so: Es ist nun eben die Fassung der Wiener Philharmoniker. […] Aber unter einer „Distanzierung“ würde man vielleicht doch noch etwas anderes verstehen als eine Überarbeitung, etwa ein Bekenntnis zur Originalfassung, die Nikolaus Harnoncourt 2001 und auch noch am Anfang des Neujahrskonzerts dirigierte. Aber so viel Neuigkeiten auf einmal sind aus Wiener Sicht bedenklich für den repräsentativen Anlass. […] Das Orchester beruhigt: „Für die Zuhörer ändert sich nichts.“ Das Klatschen zum „Radetzky-Marsch“ immerhin war, auch wenn es so klingt, keine Idee der nazistischen Volksgemeinschaft. Es ist überlieferte Tradition seit 1848. Uehling, Peter: Der „Radetzky-Marsch“ und seine Wiener Neufassung. Berliner Zeitung, 30.12.2019. D MUSTER
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