Denkmal 5/6 + E-Book

Gesellschaftlicher Wandel: Massenmigration im 19. Jahrhundert 6.9 Im 19. Jahrhunderts prägten große Migrationsbewegungen Europa. Bis um 1900 erreichte Migration ein noch nie zuvor dagewesenes Ausmaß – Mobilität erlangte eine neue Qualität. Viele Menschen entschlossen sich, auf der Suche nach einem besseren Leben ihre Heimatstädte zu verlassen und anderswo einen Neuanfang zu wagen. Gründe für die Auswanderung Die Gründe für die Auswanderungswelle aus Europa waren vielzählig: Der Ausbau von Verkehrsachsen, etwa die Erschließung Osteuropas mit der Eisenbahn, veränderte die Konkurrenzsituation an regionalen Märkten. Handelnden von auswärts war es nun einfacher möglich, in anderen Städten ihre Waren anzubieten. Die bessere Erreichbarkeit ermöglichte aber auch der lokalen Bevölkerung eine Binnenwanderung in die großen Städte. Dort waren die Berufsaussichten besser. Neben der wirtschaftlich schlechten Ausgangssituation in vielen Gebieten veranlassten vor allem die Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung im russischen Zarenreich (1880–1910) die massenhafte Auswanderung aus Europa und dem zaristischen Russland. Wellen der Auswanderung Die Hungersnot in Irland (1845–1852), der Kalifornische Goldrausch (1848– 1854) und die niedergeschlagene Revolution in Deutschland (1848/49) bedingten die ersten beiden großen Auswanderungswellen. Zwischen 1820 und 1860 wanderten rund zwei Millionen Irinnen und Iren in die USA aus. Von 1850 bis 1930 rund fünf Millionen Deutsche und rund 3,8 Millionen Menschen aus der Habsburgermonarchie. Insgesamt immigrierten von 1836 bis 1914 rund 30 Millionen Europäerinnen und Europäer in die Vereinigten Staaten. Die Hälfte davon zwischen 1890 und 1914. Neue Qualität an Mobilität Über die Jahrzehnte erleichterte schließlich auch der technische Fortschritt die Migration. Eine Überquerung des Atlantiks dauerte in der ersten Hälfte des 19. Jhs. noch durchschnittlich 45 Tage. Am Ende des 19. Jhs. nur noch sechs Tage. Die bessere Verkehrsinfrastruktur förderte die Mobilität zwischen Städten. Es wurde normal, während seines Lebens in verschiedenen Städten gelebt zu haben. Ein Großteil der Biografien hatte eine Migrationsgeschichte aufzuweisen. Zum Beispiel war jede zweite Person, die in Wien, der Hauptstadt der Habsburgermonarchie, um 1900 lebte, nicht dort geboren. Es entstanden Klischees um die Zuwandererinnen und Zuwanderer. Die liebenswerten Kindermädchen aus Böhmen etwa fanden sich als Stereotyp sogar in Kinderbüchern. Diese Stereotype waren oft auch negativ und antisemitisch behaftet. Um die vielen „Reisenden“ zu schützen, wurden eigene Institutionen gegründet. Meist von religiösen Institutionen getragen, bildeten sich sogenannte Bahnhofsmissionen. M 1: Plakat aus der Habsburgermonarchie für das Schiff der „Austro-Americana“ im Hafen von Triest, um 1910. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 268 MUSTER

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