Denkmal 5/6 + E-Book

262 Das südöstliche Europa im 19. Jahrhundert 6.6 Im 19. Jahrhundert entstanden im südöstlichen Europa zahlreiche neue Staaten. Diese Entwicklung stand den Interessen der Habsburgermonarchie, des russischen Zarenreichs und des Osmanischen Reichs gegenüber. Obwohl neue Staaten entstanden, blieben die drei Imperien bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs prägend. Drei Großreiche üben Einfluss aus Die Ideen der Aufklärung und der Französischen Revolution inspirierten auch im südöstlichen Europa nationalstaatliche Projekte. Gleichzeitig prägten die umrahmenden Großreiche weiterhin die politischen und sozialen Verhältnisse. Das aufsteigende Russland hatte bereits 1774 im russisch-osmanischen Frieden von Küçük Kaynarca erklärt, in Zukunft die christlich-orthodoxe Bevölkerung im Osmanischen Reich zu beschützen. Das Osmanische Reich blieb bis 1918 trotz zunehmender Gebietsverluste eine feste Größe in Südosteuropa, während auch die Habsburgermonarchie einen klaren Führungsanspruch artikulierte, was sich 1878 in der Besetzung von Bosnien-Herzegowina zeigte (s. unten). Griechenland wird unabhängig Ab dem 14. Jh. kamen weite Teile des Raums zwischen griechischer Halbinsel und Zentralungarn unter osmanische Herrschaft (s. 4.10). In den 1820er-Jahren kam es zu einem Aufstand mit dem Ziel, eine unabhängige Republik zu gründen. Dies deckte sich mit dem Interesse der europäischen Großmächte an einer Schwächung des osmanischen Konkurrenten und fand Unterstützung durch den im westlichen Europa verbreiteten Philhellenismus (Griechenlandbegeisterung). 1830/32 wurde in den Londoner Protokollen die Unabhängigkeit Griechenlands festgehalten, allerdings als Königreich unter der Regentschaft des Wittelsbacher Prinzen Otto (M 1). Diese griechische Monarchie bestand bis 1973. Neue Staaten entstehen Die Herauslösung Serbiens als unabhängige Nation beginnt mit den Serbischen Aufständen (1804–1813 und 1815– 1817). 1869 erhielt das Fürstentum Serbien eine Verfassung, 1878 wurde seine Unabhängigkeit beim Berliner Kongress anerkannt. Im Rahmen des Berliner Kongresses (1878) wurden neben der Souveränität Serbiens auch jene von Montenegro und Rumänien anerkannt. 1909 folgte Bulgarien, 1913 Albanien. Alle diese Staaten entstanden dabei durch Abspaltung vom Osmanischen Reich. Wie auch im übrigen Europa zu dieser Zeit wurden die neuen Staaten im südöstlichen Teil des Kontinents zu konstitutionellen Monarchien. Vom Illyrismus zum multiethnischen Staat Jugoslawien Auch in der Habsburgermonarchie vernetzten sich die Vordenker eines nationalen Einigungsprojekts. Die „Illyrische Bewegung“ artikulierte die Vision eines Zusammenschlusses der Südslawinnen und Südslawen (= „Illyrismus“). Damit ging die Entwicklung des Serbokroatischen als gemeinsame Sprache einher. Als sich am Ende des Ersten Weltkriegs die südslawischen Bevölkerungsteile von der habsburgischen Herrschaft lösten, wurde diese Idee politische Realität: Das „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ vereinigte diese Ethnien. Der neue, multiethnische Staat umfasste nach 1918 auch Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Mazedonien und den Kosovo. Ab 1929 hieß er Jugoslawien und sollte bis 1991 bestehen. Philhellenismus, der Eine Denkrichtung, die von klassischgebildeten Westeuropäerinnen und Westeuropäern getragen wurde und sich für die griechische Unabhängigkeit einsetzte. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 M 1: König Otto von Griechenland, im Exil in Bayern, Foto, 1868. MUSTER

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