Denkmal 5/6 + E-Book

258 Die beiden westeuropäischen Staaten waren stark von der Aufklärung, dem Liberalismus und der Industrialisierung geprägt und errichteten riesige Kolonialreiche in Afrika und Asien. Dadurch wurden sie zu Konkurrenten, konnten ihre Konflikte aber friedlich lösen und traten in Europa oft als Partner auf. „Wunderbare Isolation“: Die liberale Weltmacht Der „Wiener Kongress“ von 1815 hatte das Gleichgewicht der fünf Großmächte in Europa wiederhergestellt. Die neue Ordnung wurde durch die „Heilige Allianz“ gesichert (s 5.11). Während Frankreich dieser 1818 beitrat, distanzierte sich Großbritannien zunehmend von dem Bündnis. Der Begriff „Splendid Isolation“ wurde zwar erst ab 1900 populär, beschreibt aber die britische Politik im 19. Jh. sehr gut: Wichtigstes Ziel war die Ausdehnung der eigenen Wirtschaftsmacht und die Vergrößerung des eigenen Kolonialbesitzes (des „Empires“). Dazu beteiligte sich Großbritannien aber nicht an Bündnissen, sondern bemühte sich, das europäische Gleichgewicht der Mächte durch geschickte Diplomatie zu erhalten. Diese sehr erfolgreiche Außenpolitik führte dazu, dass kein Staat Kontinentaleuropas zu mächtig wurde, während Großbritanniens Einfluss stetig wuchs. Britische Politiker nutzten diese Position, um liberale Bewegungen, etwa in Portugal, Griechenland oder Spanien als „Schutzmacht der kleinen Nationen“ zu unterstützen. Bis 1914 stieg Großbritannien zur Weltmacht auf, die zeitweise ein Viertel der Weltbevölkerung und der Erdoberfläche beherrschte. Das Weltreich war auch im wissenschaftlichen und technischen Bereich lange führend. Aufgrund dessen fand die erste Weltausstellung 1851 in London statt. Frankreich zwischen Revolution und Empire In Frankreich gab es viele verschiedene politische Lager. Die Legitimisten, also Anhänger der Bourbonen, standen den Liberalen gegenüber, die sich für eine konstitutionelle Monarchie einsetzten. Außerdem destabilisierten die Bonapartisten mit dem anhaltenden Napoléon-Kult die Innenpolitik, um die Rückkehr der Familie Napoléons an die Macht voranzutreiben. Die neue Verfassung der „Zweiten Republik“ (s. 6.1) sah ein starkes Präsidentenamt vor. Das nutzte Louis Bonaparte, Napoléons Neffe, und proklamierte sich nach einer Volksabstimmung 1852 als Napoléon III. zum „Kaiser der Franzosen“ (M 1). Um seine Beliebtheit zu erhalten, setze er hauptsächlich auf populäre Außenpolitik. Ab 1855 wurde ein neues französisches Kolonialreich in Nordwestafrika und Südostasien (Französisch-Indochina) aufgebaut. Außerdem führte der brit.-franz. Erfolg im Krimkrieg 1856 zur Neuformierung der Machtkonstellation in Europa: Das durch seine Niederlage geschwächte Russland stellte sich an die Seite der Sieger und anerkannte Frankreichs Führungsrolle. 1859 konnte Napoléon III. noch Nizza und Savoyen für Frankreich gewinnen, danach war sein diplomatisches Geschick aber aufgebraucht. 1867 scheiterte eine militärische Intervention in Mexiko, drei Jahre später folgte die Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg. Daraufhin wurde in Paris die „Dritte Republik“ ausgerufen und Napoléon abgesetzt. Frankreich verlor Elsass-Lothringen, ein wichtiges Industriegebiet, und wurde zudem vom deutschen Reichskanzler Bismarck diplomatisch isoliert. Die neue Republik war bis tief ins 20. Jh. von innenpolitischer Instabilität geprägt. Obwohl politisch weniger bedeutend, blieb die kulturelle Führerschaft des Landes mit dem Zentrum Paris aber lange unangetastet. M 1: Napoléon III. (1808–1873), Foto, 1860. Großbritannien und Frankreich im 19. Jahrhundert 6.4 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 MUSTER

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