92 Jüdinnen und Juden im Mittelalter 3.15 Jüdische Gemeinden im Frühmittelalter Erste Hinweise auf jüdische Kaufleute in Westeuropa gibt es für das 8. und 9. Jh. Dabei handelte es sich oftmals um durchreisende Fernhandelsleute. Nachweise für jüdische Gemeinden in Mittel- und Nordeuropa lassen sich erst ab dem 10. Jh. finden. Jüdische Kaufleute siedelten in Städten und auch an wichtigen Handels- und Verkehrswegen. In den Städten ließen sich jüdische Familien oft in der Nähe der Burg, des Bischofssitzes oder auch dem Rathaus nieder, da sie von den Stadtherren – gegen die Bezahlung einer zusätzlichen Steuer – geschützt wurden. Kammerknechtschaft Diese „Judensteuer“, so wurde sie damals genannt, wurde pro Kopf berechnet; Stadtherren hatten also ein Interesse daran, eine möglichst große jüdische Gemeinde unter ihrer Herrschaft zu haben. Auch die deutschen Könige versuchten aus dem Schutz von Juden Profit zu schlagen. Mit dem Begriff „Kammerknechte“ wurden Jüdinnen und Juden im 13. Jh. zum persönlichen Besitz des Königs erklärt und gleichzeitig unter seinen persönlichen Schutz gestellt. Mobilität und Berufsleben Die Rabbiner der europäischen Städte standen miteinander in Kontakt. Sie tauschten sich über aktuelle Geschehnisse in ihren jeweiligen Regionen aus und berieten sich gegenseitig in religiösen Angelegenheiten. Ebenso wie christliche gingen auch jüdische Studenten auf Studienreisen, um bei angesehenen Rabbinern jüdisches Recht zu studieren. Durch Reisen wurden Netzwerke zwischen Städten oder auch Familien gepflegt und sie förderten den Austausch zwischen den Gemeinden. Neben Waren- bzw. Geldhandel und gelehrten Berufen waren Jüdinnen und Juden, so wie ihre christlichen Nachbarn, in vielen anderen Berufen tätig, die innerhalb einer Gemeinde notwendig waren. Quellen berichten sowohl von Ärzten, Hebammen, Bäckern und Fleischern sowie auch von Bediensteten. Sowohl die Kirche als auch die weltlichen Herren erließen immer wieder Gesetze, die das Zusammenleben von Christinnen und Christen sowie Jüdinnen und Juden regeln sollten. Durch Verbote und Einschränkungen wurden Jüdinnen und Juden beispielsweise aus immer mehr Berufsfeldern gedrängt. Als eines der wenigen Betätigungsfelder blieb der Geldhandel und Geldverleih. Diese von christlicher Seite aufgezwungene Beschäftigung führte schließlich zu der Formung eines verhassten Stereotyps. Pogrome und Vertreibungen Ab dem ausgehenden 11. Jh. entlud sich der Hass auf die jüdischen Mitmenschen wiederholt in der Ermordung oder Vertreibung ganzer jüdischer Gemeinden. Im Verlauf des Mittelalters wurden Jüdinnen und Juden immer wieder als Sündenböcke, denen man die Schuld an Missernten, Krankheiten und Armut gab, verfolgt und ermordet. 5 10 15 Die jüdische Geschichte im christlichen Europa ist geprägt von Verfolgung und Einschränkungen, aber auch von jüdischer Gelehrsamkeit. Rabbiner, Kaufleute und Übersetzer wirkten zudem lange als Bindeglied und Vermittler zwischen Ost und West. 20 25 65 30 35 40 45 50 55 60 Mehr dazu … In diesem Podcast dreht sich alles um die Anfänge des Judentums in Deutschland. https://www.ardaudiothek.de/episode/ radiowissen/das-judentum-in-deutschland-die-anfaenge/ bayern-2/89203072/ M 1: Darstellung eines Juden. Buchmalerei um 1300. MUSTER
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